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Politik

Gesundheitsexperten begrüßen geplantes Verbot von Neuen psychoaktiven Substanzen

Donnerstag, 7. Juli 2016

/dpa

Berlin ­– Experten aus dem Gesundheitswesen unterstützen die Bemühungen der Bun­des­regierung, die zunehmende Verbreitung von sogenannten Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) mit einem weitreichenden Verbot zu unterbinden. Sie machten heute an­läss­lich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Entwurf für das Neue-psy­choaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) (Drucksache 18/8579) deutlich, dass die Drogen, die auch als „Legal Highs“ bezeichnet werden, keineswegs so harmlos sind, wie ihre Be­zei­chnungen (Kräutermischungen, Badesalze, Raumerfrischer) klingen.

Mit dem Verbot der NPS will die Bundesregierung der zunehmenden Verbreitung dieser Drogen entgegenwirken. Die in immer neuen chemischen Varianten auf den Markt gebrachten Stoffe stellten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, heißt es im Entwurf für das NpSG. Es sieht ein Erwerbs-, Besitz- und Handelsverbot der Substanzen vor, die zumeist über Online-Shops vertrieben werden. Zudem soll die Weitergabe sol­cher Substanzen unter Strafe gestellt werden. Das Verbot bezieht sich auf Stoff­gruppen, um eine Verbreitung in immer neuen Varianten zu verhindern.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) registriert seit Jahren eine Zunahme von psychoaktiven Substanzen. Inzwischen sind 600 NPS auf dem Markt. Allein 2015 sind 98 neue Substanzen hinzugekommen. Die chemische Grund­struk­tur wird immer so geändert, dass die neuen Präparate keinen gesetzlichen Rege­lun­gen unterliegen, obwohl die psychoaktive Wirkung bestehen bleibt.

Erbrechen, Panik, Orientierungsverlust, Kreislaufversagen, Wahnvorstellungen
NPS beinhalten synthetischen Cannabinoide oder synthetische Cathinone / Phenyle­thyla­mine. Diese seien inzwischen bis zu 30-mal so hoch potenziert wie zu Beginn des Phänomens 2008, als die vermeintliche Kräutermischung „Spice“ auf den Markt kam, be­richtete Volker Auwärter, Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg. „We­gen der hohen Potenz bei unterschiedlichen nicht ausgewiesenen Wirkstoffgehalten werden viele Konsumenten in Krankenhäusern vorstellig.“ Die Symptome reichten von Fremdaggressivität, heftigem Erbrechen, Panik, Orientierungsverlust, Kreislaufversagen, Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen.

Eine höhere Prävalenz sieht Auwärter für synthetische Cannabinoide im Vergleich zu den synthetischen Cathinonen / Phenylethylaminen. Erstere wiesen einen ähnlichen Wirkme­cha­nismus wie bei THC auf, seien aber viel gefährlicher als Cannabis. „Todesfälle wegen Cannabiskonsum haben wir bisher nicht gesehen, bei synthetischen Cannabinoiden hin­gegen schon“, sagte der Rechtsmediziner.

Die synthetischen Cathinone / Phenylethylamine wirkten ähnlich wie Ecstasy oder MDMA. Hier sei das Risiko inhomogener. Manche dieser Substanzen seien weniger gefährlich als die „alten“ Drogen, andere wiederum gefährlicher. „Es fehlen verlässliche pharmakolo­gische Daten“, betonte Auwärter. Ebenso wenig gebe es genaue Daten zur Prävalenz der NPS.

Erhebliche Probleme in der Therapie
Unbekannt seien auch die Langzeitfolgen der NPS für die Gesundheit der Konsumenten, berichtete die Psychiaterin Ursula Havemann-Reinecke von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Die Patienten bereiten allerdings erhebliche Probleme in der Therapie, vor allem aufgrund ihrer Aggressivität. Der Therapieerfolg ist zudem gering“, sagte sie. Havemann-Reinecke begrüßte das neue Gesetz, weil es ein „klares Signal“ für Jugendliche setze, dass diese Substanzen gefährlich seien.

Auch der Suchtmediziner Rainer Thomasius vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppen­dorf machte bei der Anhörung deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Der Konsum von NPS berge neben dem Abhängigkeitsrisiko erhebliche psychische, soziale und körperliche Risiken. Thomasius geht davon aus, dass mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz sowohl Angebot als auch Nachfrage zurückgehen. Da es sich um einen inter­nationalen Markt handele, sollten jedoch entsprechende Strafnormen und Straf­re­gelungen auch in der EU angestrebt werden.

Darüber hinaus wies der Suchtmediziner darauf hin, dass handelsübliche Drogentests bei NPS oft nicht funktionierten, wenn Patienten mit Intoxikationen in Kliniken eingeliefert werden. „Wir behandeln oft ins Dunkle hinein, weil wir die Stoffe nicht nachweisen kön­nen“, sagte er. Hier müsse die Forschung intensiviert werden.

Drogenerfahrene lehnen NPS überwiegend ab
Ein wenig Aufschluss über die Konsumenten gab Bernd Werse vom Center for Drug Re­search, Frankfurt am Main. Eine Online-Befragung habe ergeben, dass die Konsumen­ten zu 89 Prozent männlich sind, durchschnittlich 24 Jahre alt, über ein relativ hohes Bildungsniveau verfügen und fast immer bereits illegale Drogen konsumiert haben. „Über­wiegend werden die psychoaktiven Substanzen von Drogenerfahrenen jedoch inzwischen abgelehnt ­– die Wirkung im Vergleich zu Cannabis ist nicht angenehm“, be­richtete Werse. Konsumiert würden NPS aber von denjenigen, die keinen Zugriff auf illegale Drogen hätten und von der speziellen Konsumentengruppe der „Psychonauten“, die möglichst viele Erfahrungen mit unterschiedlichen Rauschzuständen machen wollten.

Werse, der auch dem Schildower Kreis angehört, der sich gegen die Prohibition und Re­pression in der Anti-Drogen-Politik einsetzt, begrüßte, dass das Gesetz keine Strafverfol­gung für den Besitz vorsieht. „Kriminalisierung bringt nichts in puncto Prävention“, sagte er bei der Anhörung. © pb/aerzteblatt.de

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