Medizin
Gonorrhö: Genom-Analyse deckt Infektionsketten auf
Mittwoch, 13. Juli 2016
Oxford – Neisseria gonorrhoeae, der Erreger der Gonorrhö, ist ein reisefreudiges Bakterium, wie eine Untersuchung aus dem englischen Seebad Brighton in Lancet Infectious Diseases (2016; 10.1016/S1473-3099(16)30157-8) zeigt. Die Genom-Analyse von mehr als tausend Isolaten ergab, dass fast jede fünfte Infektion aus anderen Orten Großbritanniens eingeschleppt wurde. Jede elfte Infektion ließ sich auf US-amerikanische Erregerstämme zurückverfolgen.
Die zunehmende Resistenzentwicklung von N. gonorrhoeae ist in den letzten Jahren zu einem globalen Problem geworden. Penicilline und Chinolone haben ihre Wirkung weitgehend verloren und auch der Einsatz von Cephalosporinen der dritten Generation wird zunehmend fragwürdig. Resistenzen gegen das oral einsetzbare Cefixim haben zugenommen. Bei einigen Patienten ist das parenteral zu verabreichende Ceftriaxon das letzte verbliebene effektive Therapeutikum. Infektiologen befürchten, dass MDR-NG („multidrug-resistant Neisseria gonorrhoeae“) schon bald zu kaum therapierbaren Erkrankungen führen könnten.
Vor diesem Hintergrund ist das Interesse an einer Analyse der Infektionsketten gestiegen. Das britische National Institute for Health Research hat hierzu eine Studie in Auftrag gegeben, in der das Erbgut aller in Brighton isolierten N. gonorrhoeae komplett sequenziert wurde. N. gonorrhoeae neigt, wie andere Bakterien auch, zu Mutationen, über die sich die Infektionswege zurückverfolgen lassen. Die Daten, die ein Team um David Eyre von der Universität Oxford jetzt vorstellt, ergab, dass ein Viertel der zwischen Januar 2011 und März 2015 isolierten Erreger in ihrem Erbgut bis ins letzte Basenpaar übereinstimmten. Bei den anderen drei Vierteln lagen jedoch Veränderungen vor, die für die Rekonstruktion von Infektionsketten genutzt werden konnten.
Eyre kommt zu dem Ergebnis, dass 18 Prozent aller Infektionen Verbindungen zu Erregern hatten, die anderswo in Großbritannien isoliert wurden. Eine naheliegende Vermutung ist, dass der Badeort an der Südküste des Landes ein Ort ist, an dem sich Touristen mit der Gonorrhö infizieren oder den Erreger an andere Menschen weitergeben.
Nun ist Brighton kein Magnet für den internationalen Tourismus. Bei 9 Prozent der Erreger konnten die Forscher jedoch Verbindungen mit genetischen Varianten von N. gonorrhoeae herstellen, die in den USA isoliert worden waren. Darunter waren mehrere Stämme, die das Resistenz-Gen penA XXXIV trugen, das zum Versagen einer Cefixim-Behandlung führen kann. Das britische Seebad könnte damit zu einem wichtigen (aber sicher nicht einzigen) „Umschlagplatz“ für diese Resistenz werden. © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema


Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.