Medizin
Krebs: Patienten und Ärzte über Prognose oft uneins
Montag, 18. Juli 2016
Rochester – Zwei Drittel aller Krebspatienten schätzten ihre Prognose in einer Studie in JAMA Oncology (2016; doi: 10.1001/jamaoncol.2016.1861) anders ein als die behandelnden Onkologen. Die meisten waren optimistischer als ihre Ärzte und die wenigsten wussten, dass ihr Arzt die Situation anders einschätzte.
Für den Arzt ist das Aufklärungsgespräch von Patienten mit einer unheilbaren Krebserkrankung schwierig. Die meisten Patienten wünschen zwar eine ehrliche Auskunft über ihre Prognose, viele verkraften jedoch die Wahrheit nicht. Dies führt häufig dazu, dass die Ärzte sich nicht so klar ausdrücken, wie dies eigentlich erforderlich wäre. Die Folge ist eine „Diskordanz“ in der Einschätzung von Arzt und Patient, die auch in einer Befragung unter amerikanischen Krebspatienten und ihren Ärzten zutage trat.
Alle Patienten hatten Krebs im Stadium 3 oder 4 und ihre behandelnden Ärzte hatten angegeben, dass sie „nicht überrascht“ wären, wenn die Patienten innerhalb des nächsten Jahres versterben würden. Tatsächlich lebte die Hälfte der Patienten nur noch 16 Monate und aufgrund des Krankheitsstadiums dürften weniger als fünf Prozent die nächsten fünf Jahre überleben.
Die 238 Patienten und ihre behandelnden 38 Onkologen wurden in einem Fragebogen unabhängig von einander um eine Einschätzung gebeten: „Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, noch zwei Jahre oder länger zu leben?“, wurden die Patienten befragt. “Wie hoch sind Ihrer Ansicht nach Chancen, dass dieser Patient noch zwei Jahre oder länger leben wird?“, lautete die entsprechende Frage an den Onkologen.
Die Antworten, die Ronald Epstein vom University of Rochester Medical Center ausgewertet hat, zeigen, dass Ärzte und Patienten in 161 von 238 Fällen (68 Prozent) unterschiedlicher Ansicht waren. Unter von 161 diskordanten Patienten gaben 144 Patienten (89 Prozent) an, dass ihnen nicht bewusst war, dass der Arzt ihre Prognose anders einschätzte. Von den 161 Patienten mit diskordanter Einschätzung waren 155 (96 Prozent) optimistischer als ihre Ärzte.
Dass die Patienten ihre Überlebenschancen meistens besser einschätzen als ihre Ärzte, kann Auswirkungen auf die Therapie haben. Optimistische Patienten sind laut Epstein häufiger bereit, sich einer riskanten Therapie zu unterziehen, die ihre Prognose nicht verbessert, die aber die Lebensqualität verschlechtert.
In den Fällen, in denen der Patient sich bewusst ist, dass sein Arzt die Prognose ungünstiger beurteilt, kann der Arzt die Entscheidung des Patienten respektieren. Schwieriger ist dies in den Fällen, in denen die Patienten sich nicht bewusst sind, dass der Arzt ihre Überlebenszeit wesentlich ungünstiger beurteilt. Epstein führt diese ungewollte Diskordanz auf eine unzureichende Kommunikation zwischen Arzt und Patienten zurück. © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.