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Medizin

Leberzirrhose: Bakterien ohne Antibiotika abwehren

Mittwoch, 20. Juli 2016

Bonn/München – Rund ein Drittel der Leberzirrhose-Todesfälle ist auf bakterielle Infektionen zurückzuführen. Die Ursache dafür sind unschädliche Darmbakterien, die in die Leber wandern und dort die Immunabwehr zunächst überregulieren und bei einer kleinen Infektion deaktivieren. Der neu entdeckte Mechanismus wurde in Gut (DOI:10.1136/gutjnl-2015-311224) publiziert. Eventuell lassen sich die lebens­gefährlichen Infektionen mit diesem Wissen auch ohne Antibiotika behandeln, indem die Immunantwort verstärkt wird, schlussfolgert das Forscherteam der Technischen Universität München, dem LIMES-Institut der Universität Bonn und von der Uniklinik der RWTH Aachen.

Hintergrund Leberzirrhose

Pro Jahr sterben in Europa rund 170.000 Menschen an den Komplikationen einer Leberzirrhose. Häufige Ursachen der weit verbreiteten Erkrankung sind Alkoholmissbrauch, Fettleberhepatitis und chronische Virushepatitis. Leberzirrhosen entwickeln sich schleichend im Lauf von Jahren und Jahrzehnten.

Schon länger ist bekannt, dass bei Patienten mit Leberzirrhose das Immunsystem geschädigt ist. Bei einer Leberzirrhose werden funktions­un­tüchtige Leberzellen durch Bindegewebe ersetzt, was die Durchblutung des Organs beeinträchtigt. Gleichzeitig führt der Austausch zu einem erhöhten Druck in den Blutgefäßen des Darms. Bakterien wandern von daher aus dem Darm über das Blut in die Leber.

Schwachstelle im Immunsystem
An Mäusen mit Leberzirrhose haben die Forscher beobachtet, dass Makrophagen und Monozyten in der Leber in Antwort auf unschädliche Darmbakterien anhaltend Typ-1-Interferon produzierten. Kam eine Infektion mit einer geringen Zahl krankmachender Listerien hinzu, stieg die Typ-1-Interferon-Produktion massiv an. In der Folge kam es zur Ausschüttung von immunregulierendem Interleukin-10, ein Zytokin, das antiinflammatorisch wirkt. Es führt zum Zusammenbruch der Abwehrfunktion der Makrophagen gegen bakterielle Infektionen und damit zum tödlichen Ausgang der Listerien-Infektion.


Die Forscher führten die Untersuchungen zusätzlich an menschlichem Monozyten aus dem Blut von Zirrhosepatienten durch. „Nach einer Infektion mit Pathogenen fanden wir in den Monozyten von Zirrhosepatienten ebenfalls deutlich erhöhte Werte für Typ-1-Interferon und Interleukin-10“, fasst Zeinab Abdullah, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Bonn, die Resultate zusammen. „Unsere Ergebnisse identifizieren die Schwachstelle des Immunsystems, die für das Versagen der Immunantwort gegen bakterielle Infektionen verantwortlich ist.“

Therapieansatz: Typ-1-Interferon blockieren
Hingegen waren Mäuse, die gar kein Typ-1-Interferon bilden konnten, gegen die Infektionen mit Darmbakterien geschützt, weil das Immunsystem nicht übersteuerte. Eine Verstärkung der Immunantwort, indem kein Interleukin-10 ausgeschüttet wird, kann eine lebensgefährliche bakterielle Infektion ohne Antibiotika verhindern. Darin sehen die Forscher einen wichtigen Anwendungsbezug. „Wenn die Bildung von Typ-1-Interferon in den Leberzellen mit geeigneten Substanzen blockiert wird, könnte das aus dem Ruder laufende Immunsystem absehbar stabilisiert werden“, sagt Percy Knolle von der TU München. Doch diesen viel versprechenden Ansatz müssen erst noch klinische Studien erweisen. © gie/aerzteblatt.de

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