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Medizin

Samoa: „Sparsame“ Genvariante macht Einwohner der Südsee dick

Dienstag, 26. Juli 2016

dpa

Providence – Eine umfangreiche Suche nach Genvarianten, die die hohe Adipositas-Prävalenz auf den Südseeinseln der Samoa-Gruppe erklären könnte, hat zur Entdeckung einer Genvariante geführt, die die “thrifty gene“-Hypothese bestätigt. Für die Fettleibigkeit der Insulaner ist es laut dem Bericht in Nature Genetics (2016; doi: 10.1038/ng.3620) jedoch nur teilweise verantwortlich.

Die Einwohner der Samoa-Inseln im südlichen Pazifik sind die dicksten Menschen der Erde. Bei der letzten Untersuchung waren 80 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen übergewichtig oder adipös. Dies war nicht immer so. Die Prävalenz der Adi­positas ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, was Ernährungs­wissen­schaftler wie in anderen Ländern auch auf die Verbreitung von Nahrungsmitteln mit einer hohen Kaloriendichte zurückführen.

Die ungewöhnlich hohe Prävalenz und die abgeschiedene Lage der vor 3.000 Jahren besiedelten Inseln lässt jedoch genetische Ursachen vermuten, vielleicht sogar einen Gründereffekt, bei der sich eine genetische Variante der ersten Siedler mit der Zeit in der gesamten Bevölkerung ausgebreitet hat.

Das Team um Stephen McGarvey von der Brown University hat zusammen mit den Behörden der beiden Samoas (der Westteil ist ein eigenständiger Staat, der Ostteil ein Außengebiet der USA) eine genom-weite Assoziationsstudie durchgeführt. Dabei wurde das Erbgut von 3.072 Samoanern mit dem Body-Mass-Index (BMI) in Beziehung gesetzt. Tatsächlich wurde auf dem Chromosom 5 eine Genvariante entdeckt, deren Träger ein um 35 Prozent erhöhtes Risiko auf eine Adipositas hatten.

Die Genvariante ist in der Bevölkerung von Samoa stark verbreitet: 38 Prozent sind heterogen auf das Merkmal, bei weiteren 7 Prozent ist die Variante sogar auf beiden Chromosomen 5 vorhanden. Die anderen 55 Prozent der Samoaner tragen des Merkmal nicht – sind deshalb aber nicht unbedingt schlank. McGarvey schätzt, dass die Variante nur etwa 2 Prozent der Unterscheide im BMI der Bevölkerung erklärt.

Die nähere Analyse ergab, dass es sich bei der Genvariante um eine Missense-Mutation im Gen CREBRF handelt, das bisher nicht mit der Adipositas in Verbindung gebracht wurde. Um die Auswirkungen näher zu untersuchen, bauten die Forscher die Mutation in Fettzellen von Mäusen ein. Diese Zellen erlangten dadurch die Fähigkeit, Fette effektiver zu speichern und dabei weniger Energie zu verbrauchen.

Die Mutation verhält sich damit genau so, wie es der Genetiker James Neel im Jahr 1962 vorhergesagt hatte. Der Forscher hatte damals die „thrifty gene“-Hypothese aufgestellt. Die sparsame, haushälterische (thrifty“) Verwendung der in der längsten Zeit der menschlichen Evolution seltenen Nahrung könnte den Träger dieser Gene vor einem Hungertod bewahrt haben. Heute, in Zeiten einer Überversorgung, wird dieses Gen vielen Menschen zum Verhängnis, weil es Adipositas und Typ 2-Diabetes fördert. 

Ganz passen die Ergebnisse jedoch nicht zu der Hypothese von Neel. Die Genvariante im CREBRF-Gen war zwar mit einer Adipositas assoziiert, nicht aber mit einem Typ 2-Diabetes. Die Genträger erkrankten sogar seltener an einem Typ 2-Diabetes, was aber nicht verhindert hat, dass neben der Adipositas auch der Typ 2-Diabetes auf Samoa sehr häufig ist.

McGarvey vermutet, dass einige der ersten Siedler die Genvariante mit nach Samoa brachten oder sie dort spontan aufgetreten ist. In den entbehrungsreichen Zeiten zu Beginn der Besiedlung hatten die Genträger einen selektiven Vorteil gegenüber anderen Samoanern. Sie überlebten die Hungerzeiten und verbreiteten so die Genvariante, die heute Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringt.

© rme/aerzteblatt.de

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