Ärzteschaft
Unklare Erstattung von Liquid Biopsy
Dienstag, 26. Juli 2016
Berlin – Obwohl es für den Einsatz von Krebsdiagnostik auf der Basis von Blutproben („Liquid Biopsy“) bereits einige klare Indikationen gibt, wie den Nachweis der Resistenzmutation T790M beim Nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen als Basis für die Therapieentscheidung, gehören die Liquid-Biopsy-Verfahren bislang nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und damit nicht zur Regelversorgung. Erkrankte, die einen solchen Test benötigen, müssen die Kostenerstattung bei ihrer Krankenkasse beantragen.
Dies will der Bundesverband Deutscher Pathologen ändern: „Wir sind überzeugt, dass Patienten einen Rechtsanspruch auf diese Untersuchung haben“, sagte Gisela Kempny, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Pathologen, heute bei einer Veranstaltung des Biotechnologieverbandes BIO Deutschland. Eine Möglichkeit seien integrierte Versorgungsverträge, die der Verband mit den Krankenkassen abschließen könne.
Kempny verwies dabei auf das Lungennetzwerk NOWEL, ein Zusammenschluss von pathologischen Laboratorien in Niedersachsen. Dies habe bereits im Mai einen solchen Vertrag mit der Barmer GEK abgeschlossen: Die Versicherung übernimmt die Kosten für die Flüssigbiopsie, wenn ein an Lungenkrebs erkrankter Versicherter dieser Krankenkasse eine erneute Biopsie für eine molekulare Tumordiagnostik benötigt.
BIO Deutschland bedauert, dass bei der letzten Aktualisierung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), die seit 1. Juli in Kraft ist, zwar die „In-vitro-Diagnostik tumorgenetischer Veränderungen zur Indikationsstellung einer pharmakologischen Therapie“ (Companion-Diagnostic-Leistungen) in den Leistungskatalog aufgenommen wurde, die Flüssigbiopsie jedoch ausgeschlossen bleibt. Somit bestünden weiterhin keine Regelungen für die Erstattung dieser relativ neuen Leistung und das, obwohl eine personalisierte Therapie ohne Nachweis einer Mutation nicht eingeleitet werden darf und Liquid Biopsies nicht teurer als Gewebebiopsien sind.
„Zwar sind nur wenige deutsche Biotech-Unternehmen im Bereich der Flüssigbiopsie aktiv, doch diese sehen sich in einem hochkompetitiven Umfeld mit der internationalen Konkurrenz auf Augenhöhe“, erklärte Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland. Im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg liefen zudem entsprechende Forschungsarbeiten im Schulterschluss mit Firmen. Diese arbeiteten an Testverfahren für verschiedene Krebserkrankungen, wobei sich die Analysen nicht auf zirkulierende DNA-Fragmente beschränkten. Einbezogen würden auch RNA-Fragmente, zirkulierende Tumorzellen und Exosomen.
Für einen sorgsamen Einsatz von Liquid Biopsies sprach sich Michael Hummel, Leiter des Molekularpathologischen Labors am Institut für Pathologie der Charité, aus: „Ob eine Therapie greift oder an Wirksamkeit verliert, ob ein Tumor gegen Medikamente resistent wird oder ob es nach einer Ruhepause zu einem Rückfall der Erkrankung kommt, lässt sich mithilfe der Flüssigbiopsie früher und präziser diagnostizieren als mit den Methoden der konventionellen Tumornachsorge“, sagte er.
Gleichzeitig betonte der Pathologe, dass die Untersuchungsergebnisse einer Liquid Biopsy ohne Kenntnisse der sehr umfangreichen Tumormerkmale, die bei einer Gewebeuntersuchung gewonnen werden, keine ausreichende Interpretation erlauben: „Die Flüssigbiopsie wird darum bei den derzeitigen Konzepten als ergänzendes Verfahren zur Diagnostik im Krankheitsverlauf eingesetzt“, erläuterte er. Ihr Einsatz zur Früherkennung von Tumoren wäre dagegen „Harakiri“. Auch sei die Methode nicht für alle Tumorentitäten und nicht für alle Stadien einer Erkrankung geeignet. © ER/aerzteblatt.de

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