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Medizin

Roboter-assistierte Prostatektomie ohne Vorteile für Harnkontinenz und Sexualfunktion

Mittwoch, 27. Juli 2016

dpa

Brisbane – Die Erwartung, dass die Roboter-assistierte laparoskopische Prostatektomie, die für den Patienten schonender ist, Harnkontinenz und erektile Funktion häufiger erhält als die konventionelle retropubische Operation, wurden in der ersten größeren randomisierten Vergleichsstudie zu dieser Frage im Lancet (2016; doi: 10.1016/S0140-6736(16)30592-X) nicht erfüllt.

Die Prostatektomie gehört zu den ersten Einsatzgebieten von Operationsrobotern. Die erste Operation wurde 2000 in Frankfurt durchgeführt. Von den Herstellern der Geräte, aber auch von vielen Urologen werden die dreidimensionale und vergrößerte Sicht, die Tremorreduktion und die verbesserten Bewegungsmöglichkeiten der Instrumente hervorgehoben. Die Technik hat sich in den letzten Jahren in vielen Zentren etabliert. In den USA sollen bereits 80 bis 85 Prozent aller Prostatektomien Roboter-assistiert durchgeführt werden. Auch in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Behandlungs­zentren, die deutlich mehr als 1 Million Euro in den Roboter investiert haben.

Ein Zusatznutzen für den Patienten ist jedoch streng genommen nicht erwiesen. Randomisierte klinische Studien, wie sie vor der Einführung von Medikamenten von den Zulassungsbehörden vorgeschrieben werden, sind in der Chirurgie selten, und die Hersteller von Medizingeräten müssen nicht nachweisen, dass ihre Produkte die Behandlungsqualität verbessern. (Das CE-Zertifikat stellt in Europa nur sicher, dass die Geräte technisch einwandfrei arbeiten.)

Da nicht alle Urologen von den Vorteilen der Operationsroboter überzeugt waren, begann das Royal Brisbane & Women’s Hospital im August 2010 mit einer Studie, die bis November 2014 insgesamt 308 Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom nach dem Zufallsprinzip auf eine Roboter-assistierte laparoskopische Prostatektomie oder eine konventionelle retropubische radikale Prostatektomie zuordneten. Alle Operationen wurden von zwei Chirurgen durchgeführt. Einer hatte die Roboter-assistierte Prostatektomie während einer zweijährigen Tätigkeit an einer anderen Klinik erlernt und vor Beginn der Studie mehr als 200 Operationen dieser Art selbstständig durchgeführt. Sein Kollege, der die konventionelle Operationen durchführte, verfügte über eine Berufserfahrung von 15 Jahren. Beide sollten die „Lernkurve“ der Eingriffe abschlossen haben.

Die jetzt vom Team um Robert Gardiner vorgestellten Ergebnisse umfassen die ersten 12 Wochen nach der Operation. Sie zeigen, dass die Roboter-assistierte Prostatektomie für die Patienten schonender ist. Die Dauer der Operation war kürzer, es kam seltener zu intraoperativen Komplikationen, der Blutverlust war geringer und die Patienten benötigten weniger Transfusionen. Es gab weniger ungeplante Einweisungen auf die Intensivstation, weniger postoperative Komplikationen und die Patienten konnten die Klinik früher verlassen. Die Patienten gaben 24 Stunden nach der Operation und nach einer Woche weniger Schmerzen an und ihre Lebensqualität war auch nach sechs Wochen besser als nach einer radikalen Operation.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Operation auch häufiger ihre medizinischen Kernziele erreicht. Kurzfristig stehen hier die Auswirkungen auf die Harnkontinenz und die Sexualfunktion im Vordergrund. Wenn die Operation die neurovaskulären Bündel verletzt, kann es zu einer Inkontinenz und zur erektilen Dysfunktion kommen.

Als Messinstrument diente in der Studie der Expanded Prostate Cancer Index Composite (EPIC), ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung durch den Patienten. In beiden Domänen waren die Ergebnisse sowohl nach sechs Wochen als auch nach 12 Wochen in beiden Gruppen in etwa gleich. Die Harnkontinenz war nach der konventi­onellen Operation tendenziell besser, bei der Sexualfunktion war die Roboter-assistierte Operation leicht im Vorteil. Die Unterschiede waren jedoch gering, statistisch nicht signifikant und klinisch vermutlich nicht relevant.

Die Frage, welche Operation den Patienten die besseren Überlebenschancen bietet, wird die Studie vermutlich nicht klären können. Zum einen ist die Nachbeobachtungszeit zu kurz und auch die Teilnehmerzahl zu gering, um hier kleinere Unterschiede sicher erkennen zu können. Die Roboter-assistierte Operation ist trotz der besseren Sicht und der präziseren Präparation des Gewebes nicht notwendigerweise im Vorteil.

Der Anteil der positiven Randschnitte war mit 15 Prozent gegenüber 10 Prozent sogar tendenziell höher. Andererseits wurden doppelt so viele Lymphknoten (6,5 versus 3,26) entfernt und der Anteil der positiven Lymphknoten war mit 4 versus 1 Prozent deutlich höher. Mit gewisser Spannung werden deshalb die nächsten Auswertungen der Daten erwartet, die ein Jahr nach der Operation erfolgen sollen. © rme/aerzteblatt.de

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