Medizin
TAVI: Gerinnungstest erkennt paravaskuläre Lecks
Montag, 1. August 2016
Lille – Ein kommerziell erhältlicher Gerinnungstest kann möglicherweise noch während eines kathetergestützten perkutanen Aortenklappenersatzes (TAVI) erkennen, ob die Behandlung gelungen ist oder ob eine paravaskuläre Leckage eine Korrektur erforderlich macht. Dies zeigen die Ergebnisse einer Kohortenstudie im New England Journal of Medicine (2016; 375: 335-344).
Bei der TAVI wird mittels eines Katheters eine Gefäßprothese mit einer künstlichen Aortenklappe über die defekte Aortenklappe des Patienten platziert. Idealerweise drückt die Gefäßprothese so stark auf die Aortenwand, dass ein Blutfluss an der neuen Aortenklappe vorbei verhindert wird. Gelingt dies nicht, bildet sich häufig eine paravaskuläre Leckage, die eine schlechte Prognose des Patienten anzeigt. Die Zahl der Patienten, die innerhalb des ersten Jahres stirbt, steigt bei eine undichten Aortenprothese deutlich an.
Um diese Komplikation rechtzeitig zu erkennen, wird an vielen Zentren eine transösophageale Ultraschalluntersuchung (TEE) durchgeführt. Diese Untersuchung ist jedoch für den Patienten unangenehm und sie erhöht die Komplexität der Behandlung.
Ein einfacher Bluttest, der während der TAVI durchgeführt wird, könnte die TEE in Zukunft häufig ersetzen. Der Test weist hochmolekulare Multimere des von-Willebrand-Faktors (VWF) nach. Der VWF hat eine wichtige Funktion als Starter der Blutgerinnung. Seine Bindung an Kollagenfasern einer geschädigten Gefäßwand löst die Thrombozytenaggregation aus, die über ein Gerinnsel zur Abdichtung des Gefäßes und schließlich zur Reparatur des Defekts führt.
Der VWF wird von Endothelien ans Blut abgegeben. Dort bilden mehrere Moleküle des VWF sogenannte Multimere, was einen vorzeitigen Abbau des VWF durch Enzyme im Blut verhindert. Die Multimere können mit einigem Aufwand im Labor nachgewiesen werden. Ein indirekter und am Bett durchführbarer Test ist mit dem Platelet Function Analyzer 100 (PFA-100) möglich. Er bestimmt die sogenannte CT-ADP. Dieser Testwert („closure time with adenosine diphosphat“) reagiert sehr empfindlich auf eine veränderte Konzentration der VWF-Multimere im Blut.
Für die TAVI ist der Test interessant, weil hohe Scherkräfte im Blut zu einer Trennung der Multimere des VWF führen. Hohe Scherkräfte liegen bei einer hochgradigen Aortenstenose vor, weil es hinter der verengten Aortenklappe zu erheblichen Turbulenzen im Blutfluss kommt. Bei der erfolgreichen TAVI sind die Turbulenzen behoben und der PFA-100 normalisiert sich innerhalb von wenigen Minuten. Gelingt die TAVI nicht optimal und fließt ein Teil des Blutes an der Gefäßprothese vorbei durch ein paravaskuläres Leck, bleiben Turbulenzen erhalten: Der PFA-100 bleibt auffällig.
Ein Team um Sophie Susen vom Centre Hospitalier Regional in Lille hat jetzt untersucht, ob der PFA-100 verwendet werden kann, um den Erfolg der TAVI noch während der Behandlung beurteilen zu können. An der Studie nahmen 183 Patienten mit Aortenstenose teil, bei denen eine TAVI vorgesehen war. Der Erfolg wurde mit einer TEE kontrolliert. Die TEE zeigte an, dass es bei 46 Patienten nach der TAVI zu einer Regurgitation an der Aortenklappe gekommen war, also vermutlich zu einem paravaskulären Leck. Bei diesen Patienten wurde sofort eine Dilatation der Gefäßprothese oder ein Austausch des TAVI vorgenommen. Bei 20 der 46 Patienten konnte die Regurgitation, also das Leck behoben werden.
Die während der TAVI parallel zur TEE durchgeführten Untersuchungen zeigten, das der PFA-100 den Erfolg der TAVI ebenso gut beurteilen konnte wie die TEE. Ein CT-ADP-Wert von mehr als 180 Sekunden erreichte eine Sensitivität von 92,3 Prozent, die Spezifität von 92,4 Prozent und einen negativen Vorhersagewert von 98,6 Prozent für eine Regurgitation. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer zweiten Validierungskohorte mit 201 Patienten erzielt.
Die Nachuntersuchung der Patienten ergab, dass der PFA-100 auch die Prognose der Patienten vorhersagen konnte. Für Susen könnte der Test deshalb eine gute Alternative zur TEE sein. Vielen Patienten könnte dadurch eine belastende Untersuchung erspart bleiben, schreibt das Team. Ob der Test sich in der Praxis durchsetzt, dürfte nunmehr davon abhängen, ob andere Gruppen die Ergebnisse reproduzieren können. © rme/aerzteblatt.de

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