Ausland
Studie: National Health Service behindert Zugang zu hochpreisigen Arzneimitteln
Dienstag, 2. August 2016
Berlin – Eine Studie, die das British Medical Journal (BMJ) am 28. Juli veröffentlichte, belegt, dass der staatliche britische Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) den Zugang zu hochpreisigen Medikamenten gegen Hepatitis C behindert.
Weil der NHS England nicht über das Budget verfügte, das einen flächendeckenden Zugang zu diesen Medikamenten gewährleistet hätte, habe er zunächst erfolglos versucht, die Nutzenbewertung des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zu beeinflussen und sich danach über die bindende NICE-Bewertung hinweggesetzt und den Zugang rationiert, schreiben Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Bath sowie des BMJ in ihrem Artikel.
In Großbritannien leben zurzeit schätzungsweise 214.000 Menschen, die mit Hepatitis C infiziert sind und potenziell für eine Behandlung mit den Präparaten Sovaldi oder Harvoni, die seit 2014 auf dem Markt sind, infrage kämen, erklärt das BMJ in einer Pressemitteilung. Beide Präparate wiesen Heilungsraten von gut 90 Prozent auf, sorgten aber wegen der hohen Therapiekosten von rund 35.000 britischen Pfund je Patient für Debatten über die Grenzen der Finanzierbarkeit von Arzneimitteltherapien. Offenbar habe die Sorge vor einer finanziellen Überforderung den NHS England bewogen, die Erstattung von Sovaldi zu verschleppen sowie die von Harvoni und zwei weiteren Präparaten komplett zu blockieren.
Kraftprobe mit Bewertungsinstitut NICE
Das BMJ zitiert den Infektiologen Andrew Ustianowski, der aus Protest gegen dieses Vorgehen den klinischen Beirat des NHS England verlassen hat, mit den Worten: „Offenbar wollen einige im NHS die Kompetenzen von NICE beschneiden und deren Bewertungen nicht mehr als bindend anerkennen, sondern als Empfehlungen einstufen. Und wenn man die Kraftprobe sucht, bietet sich diese Indikation an. Sie betrifft eine gesellschaftliche Randgruppe und verursacht enorme Kosten.“
NICE habe schließlich Richtlinien veröffentlicht, in denen Sovaldi und Harvoni zur Behandlung der Mehrzahl der Hepatitis-C-Patienten empfohlen werden, schreibt das BMJ. Doch der NHS England unterlaufe diese Bewertung, indem er den Kliniken im Land bestimmte Quoten für die Verschreibung auferlege. Diese Art der Rationierung stelle Ärzte vor schwierige Entscheidungen und führe zur Verzögerung von Behandlungen.
Der NHS England sieht dem BMJ zufolge in seiner Entscheidung keine Regelverletzung. Er gab vielmehr der Hochpreispolitik von Hersteller Gilead die Schuld daran, dass sich Behandlungen verzögern. Zudem liege es nicht in der Macht des NHS, mit einzelnen Pharmaunternehmen über Preise zu verhandeln. © HK/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.