Politik
Kabinett winkt Finanzspritze für Krankenkassen durch
Mittwoch, 3. August 2016
Berlin – Das Bundeskabinett hat heute eine umstrittene Finanzspritze für die Krankenkassen von 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des Gesundheitsfonds auf den Weg gebracht. Union und SPD wollen mit diesen einmaligen zusätzlichen Mitteln im Wahljahr 2017 höhere Zusatzbeiträge für die rund 54 Millionen zahlenden Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vermeiden.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) regelt den Transfer im Gesetzentwurf „zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“. Er begründet die Finanzspritze aus der Liquiditätsreserve mit Mehrbelastungen durch die Versorgung von Flüchtlingen und mit dem Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur.
Der Gesundheitsfonds ist mit zehn Milliarden Euro derzeit gut gefüllt, die Entnahme von eineinhalb Milliarden Euro gilt deshalb grundsätzlich als unproblematisch. Bei den Krankenkassen stößt das Vorhaben trotz der Finanzspritze auf Kritik. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, erklärte, der Gesetzgeber selbst habe „durch seine kostspieligen Reformen der letzten Jahre wesentlich dafür gesorgt, dass die Zusatzbeiträge trotz sehr guter Einnahmen weiter steigen müssen“.
Der GKV-Spitzenverband geht 2017 von einem Anstieg des Zusatzbeitrages von durchschnittlich 0,3 Prozentpunkten auf dann 1,4 Prozent aus. Der durchschnittliche Beitragssatz läge dann bei 16 Prozent. Mit den 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des Gesundheitsfonds fiele der Anstieg um rund 0,1 Prozentpunkte geringer aus.
Pfeiffer forderte eine grundsätzliche Diskussion um den Gesundheitsfonds. „Statt kurzfristiger Einmaleffekte sollten klare Regeln definiert werden, wie das Geld im Gesundheitsfonds, das über die notwendige Reserve hinausgeht, an die Krankenkassen ausgezahlt wird.“
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Weil Angela Merkel derzeit fernab von Berlin ausspannt, leitete Sigmar Gabriel an diesem Mittwoch das Kabinett. Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler ist erst seit Wochenbeginn aus dem Urlaub zurück. Die Sitzung dauerte nach Angaben einer Regierungssprecherin etwa eine Dreiviertelstunde. Als er die Kanzlerin im vergangenen Sommer im Kabinett vertrat, war die Sitzung nach 13 Minuten vorbei. Ganz so viele Minister wie sonst saßen nicht mit am Tisch, zum Beschlüsse fassen reichte es aber.
Bürokratieentlastung in der Pflege
Neben den Kassenfinanzen hat sich das Kabinett auch um die Aspekte Psychiatrieentgeltsystem und Bürokratieentlastung gekümmert. Der vom Kabinett verabschiedete Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) sieht nun auch eine vollelektronische Abrechnung in der Pflegeversicherung vor. Vorgesehen ist, dass GKV-Spitzenverband und die Verbände der Leistungserbringer bis zum 1. Januar 2018 die Einzelheiten für eine elektronische Datenübertragung aller Angaben und Nachweise festlegen, die für die Abrechnung pflegerischer Leistungen in der Form elektronischer Dokumente erforderlich sind.
„Die Regelung verpflichtet den Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die Verbände der Leistungserbringer zur Vereinbarung eines Verfahrens für eine sichere Übermittlung aller erforderlichen Abrechnungsunterlagen und aller sonstigen erforderlichen Nachweise in der Form elektronischer Dokumente“, heißt es in der Begründung. Dokumente in Papierform sollten „vollständig abgelöst und eine parallele Nutzung papiergebundener und elektronischer Dokumente vermieden werden“.
Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), verbucht den Kabinettsentwurf als Erfolg für die Leistungserbringer, insbesondere in der ambulanten Pflege. „Endlich wird die jahrelange Forderung des bpa umgesetzt“, sagte er. Die parallele Anforderung von elektronischen sowie von papiergestützten Leistungsabrechnungen sei doppelter Aufwand gewesen. Künftig werde die elektronische Form ausreichen. „Weniger Zeit für Papierkram heißt mehr Zeit für Pflege“, so Tews. © may/EB/dpa/afp/aerzteblatt.de

Rechte Tasche - linke Tasche?
Die Begründung hat Kindergarten-Charakter: Die Finanzspritze aus der Liquiditätsreserve wird mit Mehrbelastungen durch die Versorgung von Flüchtlingen und mit dem Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur begründet. Dieselbe Bundesregierung und die GROKO im Deutschen Bundestag hatten mehrfach mit einem ziemlich schlichten Spruch "Wir schaffen das!" beteuert, dass die GKV- und natürlich auch die PKV-Versichertengemeinschaft keinesfalls Kosten für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und Migranten beisteuern müssten.
Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Bund (SpiBu), Frau Dr. Doris Pfeiffer, hatte erst kürzlich der Bundesregierung vorgeworfen, diese realen Zusatzkosten klein zu reden.
Und die Zusatzkosten für die Telemedizin, liebe Politiker, Medien, Gesundheitspolitiker und Öffentlichkeit, zahlen bisher nur und ausschließlich wir Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte.
Nicht nur in meiner Praxis ist alles darauf vorbereitet. Nur Ärzte-und Kassen-Funktionäre bzw. die Aufsichtsbehörden und Pflegefälle bei Spitzenbeamten warten noch auf lukrative neue Bürokratie-Jobs.
Das Ganze ist nur ein unintelligenter Verschiebebahnhof und keinesfalls ein "Kopfbahnhof". Rechte Tasche, linke Tasche eben!
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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