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Politik

Debatte über Antibiotika­verordnung hält an

Montag, 8. August 2016

/dpa

Berlin/Köln – Als Maßnahme gegen zunehmende Antibiotikaresistenzen will die Bundes­re­gierung Ärzten diagnostische Ver­fahren besser vergüten. Dies ist Bestandteil eines ge­planten Gesetzes zur Arzneimittelversorgung, das gerade innerhalb der Regierung ab­ge­stimmt wird und demnächst vom Kabinett beschlossen werden soll. Darauf hat Bundes­ge­­­­sund­heits­minister Hermann Gröhe (CDU) angesichts einer neu entbrannten Debatte um die Ver­ord­nung von Anti­bio­ti­ka hingewiesen. „Ärztinnen und Ärzten sollen so in die Lage versetzt werden, schnell und quali­täts­ge­sich­ert in der Praxis festzustellen, welche Be­handlung für den Patienten die rich­tige ist“, erläuterte der Minister den Zeitungen der Funke Medien­gruppe.

Einer Erhebung der Betriebskrankenkassen Nordwest und Mitte zufolge sollen Ärzte ihren Patienten Antibiotika derzeit fast immer auf Verdacht ver­schrei­ben. In 95 Prozent der Fälle verordnen Mediziner demnach Antibiotika, ohne vorab durch einen Abstrich deren Wirksamkeit zu klären. Der Vizevorstandschef der BKK Nordwest, Dirk Janssen, hatte Ärzten vorgeworfen, falsch zu verordnen. „So falsch, dass die Gesundheit von Patienten gefährdet wird“, sagte er.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach von „besorgniserregenden Befunden“. Die Verordnungsflut müsse gestoppt und die „Antibiotikaüberversorgung eingedämmt wer­den“. Der SPD-Politiker bemängelte in der Passauer Neuen Presse zudem eine Über- und Fehlversorgung. „Es gibt zwei Hauptprobleme: Erstens werden zu viele Antibiotika eingesetzt bei Infekten, die gar keiner Antibiotika-Behandlung bedürfen. Zweitens wird nur selten ein Antibiogramm gemacht, so dass man sich sicher sein kann, dass das Antibiotikum auch gegen den Erreger wirkt.“

Praxis ist kein Supermarkt
Lauterbach warnte vor drohenden Resistenzen in der Bevölkerung. „Die Arztpraxis ist kein Super­markt, in dem sich die Patienten nach Herzenslust bedienen können. Wenn ohne Not behandelt wird, ist das am Ende teurer und schädlicher“, sagte er. Medika­men­te seien nicht billig, Resistenzen gefährdeten die Gesamtversorgung. Es bestehe die Ge­fahr, „dass es in Zukunft keine wirksamen Antibiotika mehr für bestimmte Krankheits­gruppen geben wird“. Lauterbach empfiehlt Patienten, zu prüfen, ob sie selber Antibioti­ka bräuchten oder nicht. „Ärzte müssen in der Fortbildung sehr viel besser ausgebildet werden, wie man auch ohne Antibiotika behandeln kann.“

Ärzte weisen Kritik zurück
Nachdem bereits der Deutsche Hausärzteverband die Kritik vehement zurückgewiesen hatte, haben sich auch weitere Ärzteverbände eingeschaltet. „Die Verordnungszahlen von Antibiotika durch Kinder- und Jugendärzte sind seit Jahren rückläufig. Das hat damit zu tun, dass wir als Berufsverband unseren Mitgliedern flächendeckend Fortbildungen zum Thema an­bie­ten“, stellte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Ju­gend­­ärzte, Thomas Fischbach, klar. Kinder- und Jugendärzte verfügten „sehr wohl über ausrei­chend medi­zi­nische Kenntnisse, um kranken Kindern gezielt die richtigen Medi­ka­mente verordnen zu können“.

„Im Zweifelsfall veranlassen Kinder- und Jugend­ärzte im Labor ein Antibio­gramm, um den Erreger ganz genau zu bestimmen und be­käm­pfen zu können“, so Fischbach. Das könne allerdings nur unklaren Fällen vorbehalten sein, denn solche Laborunter­suchungen seien teuer.

Mit Sorgen sähen die Mediziner regionale Unter­schiede der Antibiotikaverordnungen. „Schaut man sich an, in welchen Gebieten eher mehr Antibiotika verordnet werden, er­kennt man, dass der höhere Antibiotikaverbrauch vor allem soziale Ursachen hat“, so Fischbach. In Regionen mit hohem Ausländeranteil würden vergleichsweise viele Anti­biotika genutzt.

„Ausländische Eltern kennen es oft aus ihrer Heimat, dass Kindern bei kleinsten Infekten Antibiotika verabreicht werden“, sagte er. Auch viele Berufstätige ver­langten für ihre Kinder „bei jedem Infekt“ Antibiotika, um möglichst nicht am Arbeits­platz zu fehlen. Beide Elterngruppen übten Druck auf die Ärzte aus. Daher müssten sie besser aufgeklärt werden.

Der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), Dirk Heinrich, wirft den Krankenkassen Heuchelei vor. „Gerade die Krankenkassen, die die Budgetierung im ambulanten Bereich mit allen Mitteln verteidigen, bezeichnen die stei­genden Laborkosten immer wieder als unnötig verordnete Leistungen und bedrohen Ärzte regelmäßig mit Regressen“, erklärte er. Seit Jahren weigerten sich die Kassen bei­spielsweise, Streptokokken-Schnelltests zu bezahlen. Insofern sei die aktuelle Forderung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Schnelltests zukünftig zu bezahlen, völlig richtig.

Heinrich wies darauf hin, dass eine rationale Antibiotikatherapie und die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen die zentralen globalen gesundheitspolitischen Themen der Zeit sind. Die niedergelassenen Ärzte arbeiteten schon lange mit ganz differenzierten Mitteln am sinnvollen Einsatz von Antibiotika, betonte er. © kna/dpa/afp/may/EB/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Dienstag, 30. August 2016, 15:11

wenn das so wichtig ist

sollte man mit der Tiermast endlich mal anfangen,
denn die bekommend das sogar ganz ohne krank zu sein (kollektiv)
auch das humane Reserveantibiotikum Colistin.
LNS
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