Politik
Schweigepflicht: De Maizière will auf Ärzte zugehen
Donnerstag, 11. August 2016
Berlin – Die Schweigepflicht für Ärzte soll gewahrt bleiben. Das hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute in Berlin betont. Er wies Berichte zurück, er wolle die ärztliche Schweigepflicht aufheben in Fällen, in denen Mediziner möglicherweise Hinweise auf eine von Patienten ausgehende Gefahr haben. Sein Ziel sei es, zusammen mit der Ärzteschaft eine „einvernehmliche“ Lösung zu finden, „wie wir Gefährdungen ausschließen und Handlungssicherheit für die Ärzte schaffen“. De Maizière betonte: „Mit der Lockerung der Schweigepflicht hat das gar nichts zu tun.“ Es gelte im Dialog mit der Ärzteschaft nach Lösungen suchen, wie die Gefährdung der Bürger im Antiterrorkampf verringert werden könne, sagte er.
„Es ist gut, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute klar gestellt hat, dass die ärztliche Schweigepflicht nicht zur Disposition gestellt werden soll“, erklärte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer. Man nehme sein Angebot an, in einem gemeinsamen Gespräch mit ihm und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Prinzipien ärztlicher Schweigepflicht zu erläutern und die durch die entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches mitunter entstehenden schwierigen Situationen zu erörtern.
Auch der Marburger Bund (MB) und die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßen die Klarstellung des Innenministers. Ärzte gingen verantwortungsvoll mit ihrer Verschwiegenheitspflicht um, sagte der 1. MB-Vorsitzende Rudolf Henke. Es sei gut, dass der Minister im Dialog mit der Ärzteschaft Fragen der Handlungssicherheit für Ärzte erörtern wolle, wenn diese im Falle eines rechtfertigenden Notstands Behörden informierten. Henke stellte klar, dass Ärzte einer Güterabwägung folgen, die auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung vorgenommen werden müsse. „An dieser individuellen ärztlichen Einschätzung wird sich wenig ändern lassen“, so Henke.
„Psychotherapeuten können psychisch kranke Menschen, die sich oder andere zu gefährden drohen, meist wirksam behandeln und von ihren Plänen abbringen. Dafür brauchen sie aber das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Patienten, damit diese überhaupt von ihren Vorhaben berichten“, erklärte BPtK-Präsident Dietrich Munz. Psychisch kranke Menschen sollten keine Angst davor haben müssen, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Aus BPtK-Sicht reichen die geltenden Regelungen in der Berufsordnung der Psychotherapeuten und im Strafgesetzbuch aus. Psychotherapeuten sind bereits jetzt von der Schweigepflicht entbunden, wenn ein Patient eine Gefahr für das Leben anderer Menschen darstellt. Wenn eine konkrete Gefahr droht, können Psychotherapeuten die Behörden informieren. Bei schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Geiselnahme, besteht sogar die Pflicht, die Polizei zu benachrichtigen, so die BPtK.
„Wir werden jetzt die Entwicklungen und Gespräche der nächsten Wochen und Monate sehr genau beobachten“, kündigte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, an. Allen Beteiligten müsse dabei klar sein, dass Ärzte nicht der verlängerte Arm der Sicherheitsbehörden seien.
Debatte im Vorfeld
Eine mögliche Aufweichung der Schweigepflicht hatte im Vorfeld heftige Diskussionen ausgelöst. „Die angespannte innenpolitische Sicherheitslage darf nicht zu vorschnellen politischen und rechtlichen Maßnahmen verleiten“, mahnte der BÄK-Präsident gestern. Das Patientengeheimnis diene dem Schutz der Privatsphäre der Patienten und werde als Grundrecht durch die Verfassung geschützt. Nur eine weitgehend uneingeschränkte ärztliche Schweigepflicht schaffe die Voraussetzungen für das unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten. Montgomery betonte zugleich, dass die Ärzteschaft einem konstruktiven Dialog mit der Politik und den Behörden über konkrete Fallsituationen offen gegenüber steht.
De Maizière kündigte heute zugleich an, mit einem umfangreichen Sicherheitspaket die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland eindämmen zu wollen. Dies umfasst unter anderem Verschärfungen für straffällig gewordene Ausländer und sogenannte Gefährder an. Sie sollen verstärkt in Haft genommen und schneller abgeschoben werden können.
De Maizière reagiert mit seinen Vorschlägen auf die Anschläge von Würzburg und Ansbach im Juli, die von Flüchtlingen verübt wurden. Die Duldung ausreisepflichtiger Ausländer soll verkürzt werden, wenn sie etwa falsche Angaben zur Identität machen. Wer an Terrorkämpfen im Ausland teilnimmt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren können. Sympathiewerbung für Terrorismus werde künftig unter Strafe gestellt.
Um der Radikalisierung von Flüchtlingen entgegenzuwirken, hält der Minister eine bessere soziale Betreuung für notwendig. Lehrkräfte müssten besser auf den Umgang mit traumatisierten Personen vorbereitet werden. Überprüft werden soll auch die Übermittlung von Daten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an die Sicherheitsbehörden.
Seine Vorschläge könnten schnell und noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, sagte de Maizière. Sie seien auch für den Koalitionspartner SPD „politisch zumutbar“. © dpa/afp/may/aerzteblatt.de

Höherwertige Rechtsgüter

Sprachverwirrung
Es gibt seit langem einen allgemein anerkannten Präzedenzfall des gesetzlich vorgeschriebenen Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht, ich rede hier vom §6 (Arztmeldepflicht) und §7 (Labormeldepflicht) im Infektionsschutzgesetz. Dort ist genau geregelt, wer was wie an wen innerhalb welcher Frist zu melden hat.
Und wenn die Politik Begehrlichkeiten in Bezug auf Informationen aus dem ärztlichen Umfeld entwickelt, dann sollte sie nicht unausgegorene Sprüche von sich geben, sondern einen klaren Gesetzentwurf und klare Falldefinitionen über die Erweiterung der namentlichen Meldepflicht bei nichtinfektiösen Gefahrensituationen vorlegen. Und das Ganze sollte so formuliert sein, dass es nicht augenblicklich von einem Verfassungsrichter in der Luft zerrissen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt sind derartige Äußerungen das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind und sind bestenfalls als Sommertheater und Vorwahlkampf zu bewerten.

Trotzdem bleib völlig offen,
Was sollen denn ausgerechnet Ärzte und Psychotherapeuten zum Anti-Terrorkampf beitragen, außer selbstverständlich ohne zusätzliches GKV-Honorar und öffentlich-ministerielle Anerkennung bis zum Umfallen den Opfern und ihren Angehörigen zu helfen, Notfall-OPs, Erstversorgung und Krisenintervention (das bayrische Traumanetzwerk war vorbildlich!) bzw. Nachsorge zu organisieren? Und obendrein noch die überlebenden Täter medizinisch und psychologisch behandeln zu müssen?
Dieses völlig unangemessene Ärzte-Bashing und jegliche Angriffe auf die bestehende Rechtslage bleiben ein ministerielles Geheimnis.
Ärztinnen und Ärzte, Psycho- und Physiotherapeuten bzw. das gesamte Personal in der Gesundheits - und Krankenversorgung machen kompetent i h r e n Job. Machen Sie den Ihren, Herr Bundesinnenminister!
Aber lassen Sie uns mit der Schweigepflicht in Ruhe weiterarbeiten und rudern Sie nicht ständig bei Ihren verbalen Ausfällen und Attacken gegen die Stützen dieser Gesellschaft zurück.
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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