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Politik

Krankenkassen: Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wird größer

Montag, 15. August 2016

/dpa

Berlin – Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) muss sich bis zum Jahr 2020 auf deutliche Ausgabensteigerungen einstellen. Das zeigen neue Hochrechnungen des Wissenschaftlers Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen), die dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vor­lie­gen.

Seinen Angaben zufolge steigen die Aus­gaben der GKV in den nächsten vier Jahren von 220,6 Milliarden Euro (2016) auf güns­tigstenfalls 272,9 Milliar­den Euro und schlechtes­ten­falls auf 279 Milliarden Euro im Jahr 2020. Der Gesundheits­ökonom machte auf Nach­frage des deut­lich, dass es sich bei den Berech­nungen zwar um neue Zahlen, aber zugleich lediglich um eine „Trend­fort­schrei­bung der Schere zwischen Grundlohnwachs­tum und Ausgaben­wachs­tum“ handelt.

Die Zahlen verdeutlichen, dass die Zuweisungen des Ge­sund­heitsfonds an die Kranken­kassen nicht in gleichem Maße steigen wie die Ausgaben wachsen: Liegt die Differenz zwischen den Zuweisungen aus dem Fonds an die Kassen und den GKV-Ausgaben heute noch bei 14,4 Milliarden Euro, beträgt das Delta den Hochrechnungen zufolge im Jahr 2020 zwischen 33,7 und 39,8 Milliarden Euro.

Dies hat zur Folge, dass die Krankenkassen eine immer größere Lücke über Zusatzbei­träge abfangen müssen. Den Berechnungen Wasems zufolge könnte der durch­schnitt­liche Zusatzbeitrag von heute 1,11 Prozent bei einer pessimis­tischen Rech­nung auf 2,63 Prozent und bei einer optimistischen auf 2,22 Prozent im Jahr 2020 stei­gen.

Oder anders gesagt: Während ein Durchschnittsverdiener nach Wasems Berechnungen in diesem Jahr bei einem beitragspflichtigen Einkommen von 1.960 Euro im Schnitt 21,76 Euro Zusatzbeitrag im Monat zahlt, könnte sich der Beitrag bis 2020 mehr als ver­doppeln. Dann könnten bei einem Durchschnittseinkommen von 2.261 Euro zwischen 50,26 Euro und 59,36 an Zusatzbeitrag fällig werden.

Angesichts der Zahlen warnte die Linkspartei, die Zusatzbeiträge für Krankenversicherte drohten innerhalb der kommenden Jahre zu explodieren. „Die Bundesregierung fährt die öffentliche Gesund­heitsversorgung vor die Wand“, erklärte Parteichef Bernd Riexinger. Er forderte erneut, die Zusatzbeiträge paritätisch auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzuteilen.

Bei den Krankenkassen wird derzeit nur ein allgemeiner Beitragssatz von 14,6 Prozent je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert. Darüber hi­nausgehende Kos­ten müssen die Versicherten in Form von Zusatzbeiträgen alleine tragen. Über die Auf­hebung der bisherigen Finanzierung und die Wiedereinführung der Parität streiten SPD und Union seit Jahren. Die SPD ist dafür, CDU und CSU sind bislang dagegen.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) forderte – wie die Linke und auch die Grünen im Bundestag – eine gerechte Kostenver­teilung. „Werden die Arbeitgeber nicht bald ver­pflich­tet, die Kostenexplosion gemeinsam mit den Versicherten zu stemmen, so hat dies eine tiefgreifende Gerechtigkeitslücke zur Folge“, kritisierte Verbandspräsident Adolf Bauer.

Unterdessen hat der GKV-Spitzenverband betont, er rechne nicht mit solch dramatischen Anstiegen. „Auch wir gehen von steigenden Zusatzbeiträgen aus. Allerdings sind unsere Prognosen nicht ganz so drastisch“, sagte die stellvertretende Verbandssprecherin Ann Marini dem SWR-Info. Die Kassen gingen 2019 von einem durchschnittlichen Zusatzbei­tragssatz von 1,8 Prozent aus. Darauf habe der Spitzenverband in den vergangenen Monaten immer wieder hingewiesen. Wasem hatte für 2019 einen möglichen Zusatz­bei­trag berechnet, der sich zwischen 1,93 Prozent und 2,23 Prozent bewegt.

Union: Versicherte nicht verunsichern
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erklärte zu den Zahlen, diese seien für sie „nicht nachvollziehbar“. „Die Berechnungen beruhen auf allgemeinen Annahmen. Die Entwicklung der Gesundheitsausgaben hängt aber von vielen Faktoren ab, auch kurzfristigen“, sagte sie. Erst mit den fundierten Ana­ly­sen des Schätzerkreises, der seine Ergebnisse im Oktober vorlegen werde, seien ge­nauere Aussagen zur Entwicklung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages möglich.

„Daher sind Spekulationen über eventuell enorme Beitragserhöhungen derzeit nicht an­ge­bracht. Sie verunsichern die Versichertengemeinschaft nur unnötig“, befand Michalk. Sie kündigte an, die Unionsfraktion wolle sich im Oktober mit den Entwicklungen der Krankenkassen­beiträge befassen. © may/afp/aerzteblatt.de

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