Vermischtes
Diskussion um Neutralität Medizinischer Leitlinien
Montag, 15. August 2016
Berlin – Transparency International Deutschland hat gesetzliche Regelungen zur Erstellung und Qualitätssicherung von medizinischen Leitlinien für Ärzte und andere Heilberufe gefordert. Auslöser dafür sind die Ergebnisse einer Untersuchung der Antikorruptionsorganisation. Sie hatte die Rahmenbedingungen zur Erstellung von medizinischen Leitlinien unter die Lupe genommen und ist zu dem Resultat gekommen, dass die Unabhängigkeit und Neutralität von medizinischen Leitlinien nicht gesichert ist.
Transparency Deutschland zufolge unterliegen Medizinische Leitlinien – anders als Richtlinien, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für die anzuwendenden Leistungen der Versicherten erstellt – keiner Qualitätskontrolle und werden durch kein deutsches Amt geprüft. Laut Transparency Deutschland können medizinische Leitlinien weiterhin trotz freiwilliger Selbstkontrolle durch unterschiedliche Interessengruppen beeinflusst werden. Das sei problematisch, da diese Handlungsempfehlungen eine wichtige Orientierungsfunktion hätten und teilweise sogar für gerichtliche Entscheidungen herangezogen würden.
„Es geht nicht nur um individuelle therapeutische Entscheidungen einzelner Mediziner, sondern um die strukturelle Beeinflussung“, sagte Christoph Stein, Autor der Studie und Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit von Transparency Deutschland. Durch mangelnde Regulierung und fehlende Transparenz entstünden Einfallstore für Korruption. Die Antikorruptionsorganisation fordert daher gesetzliche Bestimmungen, die die Transparenz und Methodik der Erstellung von Leitlinien regeln.
Derartige Vorschriften sollten sich an bestehenden Beispielen, wie den Richtlinien des G-BA, orientieren und in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der ärztlichen Qualitätssicherung erarbeitet werden. Ein aus Bundesmitteln finanziertes unabhängiges Gremium von hauptberuflichen Experten sollte medizinische Leitlinien akkreditieren.
„Leitlinienautoren sind häufig durch Interessenkonflikte belastet“, erklärte Wolfgang Wodarg, Vorstandsmitglied von Transparency. Ein fehlender gesetzlicher Rahmen und mangelnde Ressourcen gefährdeten die Unabhängigkeit der erstellten Leitlinien und damit auch das Vertrauen in das Handeln der Ärzte und anderer heilberuflich Tätiger.
Die Kritik an der Erstellung der Leitlinien wies die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zurück. „Wir respektieren die Arbeit von Transparency International Deutschland sehr und stehen auch im Austausch mit ihren Vertretern“, sagte Ina Kopp, Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement.
Der Transparency-Leitlinienbericht zeige allerdings einige grundlegende Informationslücken und Missverständnisse zum Thema Leitlinienmethodik und insbesondere Interessenkonfliktmanagement in Deutschland und lasse die einschlägige, aktuelle, internationale wie nationale Literatur zum Thema unberücksichtigt.
„Dadurch kommt es auch zu einer Verwechslung von Interessenkonflikten und Korruption“, so Kopp. So sei etwa die Darlegung von Interessenkonflikten nicht, wie im Bericht aufgeführt, freiwillig, sondern bereits seit 2010 eine Regel für das Leitlinienregister der AWMF. Das heiße, fehlende Transparenz führe zur Nicht-Aufnahme einer Leitlinie in das Register der AWMF. © hil/sb/aerzteblatt.de

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