Medizin
Barrett-Ösophagus: Gen-Studie sieht Beziehung zu Mukoviszidose und Hernien
Dienstag, 16. August 2016
Brisbane – Die bisher größte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) zum Barrett-Ösophagus verdoppelt die Zahl der bisher bekannten Risiko-Gene und liefert überraschende Einblicke in die Pathogenese, die laut der Publikation in Lancet Oncology (2016; doi: 10.1016/S1470-2045(16)30240-6) Überschneidungen mit der Mukoviszidose und vielleicht auch Hiatus-Hernien zeigt.
Beim Barrett-Ösophagus denken die wenigsten Ärzte an eine genetische Erkrankung. Als Ursachse gilt eine chronische Refluxkrankheit, die infolge des veränderten Lebensstils immer häufiger ist, und die gefürchtete Folge ist die Entwicklung eines Adenokarzinoms der unteren Speiseröhre, dessen Inzidenz in den westlichen Ländern ebenfalls zunimmt. Raum für genetische Ursachen scheint es nicht zu geben. Tatsächlich schätzen Experten, dass 35 Prozent aller Erkrankungen am Barrett-Ösophagus genetisch bedingt sind und auch 24 Prozent der Ösophaguskarzinome Folge einer genetischen Prädisposition sind.
Das „Barrett's and Esophageal Adenocarcinoma Consortium“ hat sich entschlossen, die dafür verantwortlichen Gene zu finden. Die Forscher mussten nicht ganz bei Null beginnen, da frühere GWAS bereits Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) in acht Verdachtsregionen mit dem Auftreten des Barrett-Ösophagus und Ösophaguskarzinoms in Zusammenhang gebracht haben.
Ein internationales Forscherteam um Puya Gharahkhani vom QIMR Berghofer Medical Research Institute in Brisbane hat jetzt neun weitere SNP gefunden. Die Forscher haben dazu in Blutproben das Erbgut von 6.167 Patienten mit Barrett-Ösophagus und von 4.112 Patienten mit Adenkarzinomen des Ösophagus an mehr als zehn Millionen Stellen mit einer Kontrollgruppe aus 17.159 Menschen verglichen.
Die stärkste Assoziation zeigte eine SNP innerhalb des CFTR-Gens. Es kodiert ein Membranprotein, das Teil eines Chlorid-Kanals ist. Mutationen im CFTR-Gen sind Ursache der Mukoviszidose, die bisher nicht mit dem Barrett-Ösophagus in Verbindung gebracht wurde. Auf den zweiten Blick erscheint eine Assoziation jedoch plausibel. So leiden bis zu 81 Prozent aller Patienten mit Mukoviszidose unter einer Refluxkrankheit, berichtet Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik an der Universität Bonn, der an der Studie beteiligt war.
Etwa die Hälfte aller Patienten nimmt deshalb Protonenpumpeninhibitoren ein und in einer US-Studie kam kürzlich heraus, dass Menschen mit Mukoviszidose ein erhöhtes Risiko haben, an einem Adenokarzinom des Ösophagus zu erkranken. Die Störung im Chloridtransport, die in der Lunge Infektionen begünstigt und im Pankreas zu einer Abflussstörung der Verdauungsenzyme führt, könnte deshalb durchaus den Übertritt von Magensaft in den unteren Ösophagus erleichtern.
Andere SNP weisen auf eine Entwicklungsstörung der Muskulatur hin. Dies könnte laut den Autoren erklären, warum Menschen mit einer Hiatus-Hernie häufiger an einer Refluxkrankheit und später an einem Barrett-Ösophagus erkranken.
Ob die Studie klinische Auswirkungen haben wird, ist bislang unklar. In der Regel sind die in GWAS gefundenen SNP in der Bevölkerung selten und ihr Einfluss auf das Erkrankungsgeschehen bei einzelnen Patienten gering. Schumacher hofft jedoch, dass die Studie dabei helfen könnte, ein wichtiges Problem in der Betreuung von Menschen mit Barrett-Ösophagus zu lösen. Mittlerweile finden Ärzte die Schleimhautläsionen bei bis zu 5,6 Prozent der Erwachsenen. Nur wenige von ihnen – etwa 0,12 Prozent pro Jahr – entwickelt jedoch ein Adenokarzinom.
Die Folge sind häufige und belastende Screening-Untersuchungen für die Betroffenen. Die neu entdeckten SNP könnten, so hofft Schumacher, den Patientenkreis eingrenzen, der sich häufiger einer Endoskopie unterziehen sollte, damit die Entwicklung von Tumoren aus Vorstufen rechtzeitig erkannt wird. Vor allem eine Gen-Variante, die nur bei Barrett-Karzinom-Patienten vorkommt, scheint dem Humangenetiker vielversprechend. Allerdings sei diese Genvariante allein noch nicht aussagekräftig genug. Damit ein Gen-Screening realistisch wird, müssten die Wissenschaftler erst noch weitere Genvarianten entdecken, die nur beim Barrett-Karzinom vorkommen. © rme/aerzteblatt.de

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