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Politik

Debatte um Krankenkassen­finanzierung gewinnt an Fahrt

Mittwoch, 17. August 2016

/dpa

Berlin – Nachdem vorgestern neue Hochrechnungen des Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem zu den Krankenkassenfinanzen und künftigen möglichen Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) publik wurden, hat die Diskussion um die künftige Finanzierung der GKV weiter an Fahrt aufgenommen.

Die Union hatte zunächst gestern versucht, die Debatte im Keim zu ersticken. Erst mit den fun­dier­ten Ana­ly­sen des Schätzerkreises, der seine Ergebnisse im Oktober vor­legen wer­de, seien ge­nauere Aussagen zur Entwicklung des durchschnittlichen Zusatz­bei­trages möglich, hatte gestern die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk erklärt. Der Versuch, die Diskussion gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist nicht geglückt. SPD, Grüne und Linke dringen immer vehementer darauf, die Arbeit­geber wieder stärker an der Finanzierung der stei­genden Kranken­kassenkosten zu beteiligen.

In die Diskussion mischen sich nun auch die Parteispitzen ein. „Die SPD will, dass die Kranken­kassen­beiträge wieder zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmer getragen werden“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bild. „Diese Parität muss auch bei den Zusatz­bei­trä­gen gelten. Ich verstehe nicht, dass sich die Union dem bislang ver­weigert.“ Ähnlich hatte sich kürzlich Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) geäußert.

SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der Funke Medien­gruppe, es sei „ungerecht, dass die Arbeitnehmer jetzt alle Kostensteigerungen im Ge­sundheitswesen allein tragen müssen“. Die Rückkehr zur hälftigen Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei eine „Kernfrage sozialer Gerechtigkeit“.

„Die übertrieben Spekula­tionen um die möglichen Zusatzbeiträge teilen wir nicht. Die Zahlen übersteigen unsere Einschätzungem und die des GKV-Spitzenverbands“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) heute zum Auftakt seiner diesjähri­gen Sommerreise in Berlin. Im Oktober tage der Schätzerkreis, dann werde man sehen, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Zahlen jetzt und der Realität gebe. „Die Panikmache, die aus innerpar­tei­lichen Gründen nun artikuliert wird, ist nicht ge­recht­fer­tigt“, so der Minister.

In den Dortmunder Ruhr Nachrichten bekräftigte Wasem, die steigenden Kosten seien unter anderem Folgewirkungen von unzureichenden Strukturreformen. „Wir haben Über­kapazitäten bei Krankenhäusern, wir haben im internationalen Vergleich sehr hohe Betten­zahlen, hohe Fallzahlen und eine lange Verweildauer in Kliniken. An dieses Thema trauen wir uns nicht ran“, sagte er.

Seinen Prognosen zufolge werden die Kassen eine immer größere Lücke zwischen Zu­wei­sungen aus dem Gesundheitsfonds und Ausgaben über Zusatzbei­träge abfangen müssen. Laut den Berechnungen könnte der durch­schnitt­liche Zusatzbeitrag von heute 1,11 Prozent bei einer pessimis­tischen Rech­nung auf 2,63 Prozent und bei einer opti­mis­tischen auf 2,22 Prozent im Jahr 2020 stei­gen.

Vor gut zehn Jahren war von Rot-Grün angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage der Arbeitgeber-Anteil bei 7,3 Prozent eingefroren worden. Der allgemeine Beitragssatz, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte tragen müssen, liegt seither bei 14,6 Prozent. Seit dem vergangenen Jahr können die Kassen – wenn ihnen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen – einen individuellen Zu­satzbeitrag erhe­ben, den dann aber allein die Mitglieder zu tragen haben. Der Zusatz­bei­trag liegt für 2016 bei durchschnittlich 1,1 Prozentpunkten.

Die SPD hatte die Umstellung zulasten der Arbeitnehmer 2015 mitgetragen, trotz guter Konjunkturdaten. Die Linke bezweifelt die Äußerungen Gabriels daher auch. „Wenn die SPD es wirklich ernst meint, dann könnten wir gemeinsam mit den Grünen die paritä­ti­sche Finanzierung bei den Krankenkassenbeiträgen wiederherstellen“, sagte Harald Wein­berg, Sprecher für Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie der Linken. Eine Mehrheit für die Parität gegen die Union wäre möglich. Noch im Juli habe die SPD jedoch gemeinsam mit der CDU/CSU den Linken-Antrag für die Wiedereinführung der Parität im Gesundheitsausschuss abgelehnt.

© may/dpa/aerzteblatt.de

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