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Medizin

Cochrane-Forscher: Nebenwirkungen von Orlistat wurden in Studien gefiltert

Donnerstag, 18. August 2016

dpa

Kopenhagen – Die Nebenwirkungen von Orlistat, einem 1998 eingeführten Medikament zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas, wurden in den Zulassungsstudien möglicherweise verharmlost. Dies behaupten Forscher vom Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen, die für ihre Publikation in PLOS Medicine (2016; 13: e1002101) die Studienabschlussberichte der einzelnen Patienten aus sieben Studien analysiert haben.

Orlistat hemmt die Wirkung von Lipasen im Darm, wodurch Triglyzeride nicht aufge­spalten und die einzelnen Fettsäuren nicht vom Darm resorbiert werden. In den klinischen Studien, die der Hersteller Roche für die Zulassung durchgeführt hatte, erzielte Orlistat in Verbindung mit einer hypokalorischen Ernährung eine gute Wirkung.

Jeder fünfte Patient verlor 10 Prozent oder mehr seines Körpergewichtes. Die nicht-resorbierten Fette werden mit dem Stuhlgang ausgeschieden. Diese Steatorrhöe wird jedoch von vielen Patienten nicht vertragen: Sie leiden unter Blähungen, einem starken Defäkationsdrang und nicht selten auch unter einer Stuhlinkontinenz. Außerdem kann die Resorption fettlöslicher Vitamine eingeschränkt sein.

Entgegen den positiven Studienergebnissen wurde Orlistat kein Erfolg. Laut einer größeren kanadischen Studie nehmen nach einem Jahr nur noch 6 Prozent der Patienten das Mittel ein, nach zwei Jahren waren es nur noch 2 Prozent.

Um die Diskrepanz zwischen publizierten Studienergebnissen und klinischer Wirklichkeit zu klären, ließen sich Jeppe Bennekou Schroll vom Rigshospitalet, Kopenhagen, und Mitarbeiter von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Studienabschluss­berichte der einzelnen Patienten zuschicken. Dies ist seit einiger Zeit unter Berufung auf das Recht zur Informationsfreiheit möglich. Die Forscher verglichen die Nebenwirkungen von 4.225 Patienten mit den späteren Angaben in den Publikationen – und stießen dabei nach eigenen Angaben gleich mehrfach auf Ungereimtheiten.

Laut Schroll verfügten die Protokolle über „Filter“, mit denen die Nebenwirkungen abgeschwächt wurden. Am Ende seien nur zwischen 3 bis 33 Prozent der negativen Auswirkungen in den Publikationen beschrieben worden, behauptet Schroll. In einer Studie haben weder die Zahl der unerwünschten Ereignisse noch die Dauer mit den Angaben in der Publikation übereingestimmt.

Schroll hofft, dass die Ungenauigkeiten in der Studie keine weit verbreitete Praxis waren. Immerhin würden heute noch viele in den 90er Jahren zugelassene Medikamente eingesetzt. Schroll drückt auch die Erwartung aus, dass sich die Durchführungspraxis seither geändert hat. Um die Ergebnisse der Studien besser überprüfen zu können, wäre es hilfreich, wenn den Publikationen die Studienprotokolle und die Studienab­schluss­berichte der einzelnen Patienten angehängt würden, was heute auf elektronischem Weg ohne Probleme möglich sein müsste. © rme/aerzteblatt.de

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