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Medizin

Designer-Opiat lindert Schmerzen ohne Atemdepression und Abhängigkeit

Donnerstag, 18. August 2016

San Francisco – Kann die schmerzlindernde Wirkung von Opiaten von den Nebenwirkungen wie Atemdepression und Obstipation und der Suchterzeugung getrennt werden? Einem US-Forscherteam ist dies (mit deutscher Unterstützung) möglicherweise gelungen. In Nature (2016; doi: 10.1038/nature19112) berichten sie, dass das am Computer entworfene Molekül PZM21 bei Mäusen die gewünschte Wirkung erzielte.

Die Vorraussetzungen für die Entwicklung von PZM21 wurden in den 90er Jahren gelegt. Damals wurden die Gene für die drei Opiat-Rezeptoren mu, delta und kappa entdeckt. Experimente an Mäusen ergaben damals, das die Schmerzlinderung von Opiaten vor allem über die mu-Rezeptoren vermittelt wurden. Allerdings werden auch die Nebenwirkungen und die Abhängigkeit über die mu-Rezeptoren vermittelt.

Es galt deshalb zunächst als unmöglich, Wirkung und Nebenwirkung voneinander zu trennen. Dann wurde entdeckt, dass die Signalwege für die Schmerzlinderung und die Nebenwirkung unterschiedlich sind. Die Schmerzlinderung wird über ein G-Protein weitergeleitet, das mit dem mu-Rezeptor gekoppelt ist, während die Nebenwirkungen über beta-Arrestin vermittelt werden. Damit wurde es theoretisch möglich, nach Substanzen zu suchen, die am mu-Rezeptor binden, aber nur einen der beiden Signalwege aktivieren. 

Diese Suche erfolgt heute am Computer mittels „molecular docking“. Die Forscher füttern ihre Rechner mit den drei-dimensionalen Daten des Mu-Rezeptors und verschiedener Moleküle. Die Software prüft, ob die beiden Teile zusammen passen und welche Auswirkungen dies vermutlich auf das G-Protein oder beta-Arrestin hat. Inner­halb kürzester Zeit prüften die Forscher drei Millionen unterschiedliche Moleküle auf ihre „Paarungsbereitschaft“ in jeweils mehr als eine Million Stellungen.

2.500 Moleküle prüfte das Team um Brian Shoichet von der Universität von San Francisco dann noch einmal mit „eigenen Augen“ am Bildschirm. Am Ende blieben 23 Kandidaten übrig, die die Forscher dann dem Chemiker Peter Gmeiner von der Universität Erlangen schickten, der den letzten Schliff an das Molekül legte. Die chemische Effizienz des Moleküls wurde laut den Forschern um den Faktor 1.000 gesteigert. Herausgekommen ist das Molekül PZM21, ein potenter Aktivator des G-Proteins, der nur minimale Auswirkungen auf beta-Arrestin zeigt.

Dieses Molekül wurde bereits an Mäusen getestet. Es erzielte eine ähnlich starke schmerzlindernde Wirkung wie Morphin, die sogar länger anhielt als bei dem natürlichen Schmerzmittel. Die Nebenwirkungen waren dagegen weitaus geringer. Die Obstipation, unter der viele Patienten unter einer Opiat-Therapie leiden, war deutlich abgemildert und die Atemdepression kaum stärker als mit einem Placebo. In einem Test zeigten die Tiere keine Neigung, sich bevorzugt in einem Raum aufzuhalten, in der sie PZM21 erhalten. Dies könnte bedeuten, dass PZM21 nicht über die sucht-erregende Wirkung von anderen Opiaten verfügt.

Sollten sich die Ergebnisse in weiteren Tests bestätigen und das Mittel sich als sicher und verträglich erweisen, könnte es kaum zu einem geeigneteren Zeitpunkt auf den Markt kommen. Die leichtfertige Verordnung von Opioiden hat in den USA viele Patienten anhängig von Schmerzmitteln gemacht, deren Überdosierung im Jahr 2014 für 28.000 Todesfälle verantwortlich war. © rme/aerzteblatt.de

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