Politik
Leichenschau: Bundesregierung hält Vergütung für nicht angemessen
Freitag, 19. August 2016
Berlin – Die Bundesregierung hält den derzeit nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechneten Gebührensatz für die Ausstellung eines Leichenschauscheines für nicht angemessen. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu den Kosten für die Ausstellung eines Totenscheins (BT-Drucksache 18/9408).
Die in der seit 1996 unveränderten GOÄ enthaltenen Leistungen und Vergütungen würden die heutigen Anforderungen an die Todesfeststellung nicht abbilden, so die Regierung. Im Rahmen der anstehenden Novellierung der GOÄ sei daher vorgesehenen, diese Leistungen zu differenzieren und entsprechend dem jeweiligen Aufwand angemessen zu bewerten. Entsprechende Vorschläge würden von der Bundesärztekammer (BÄK) und dem PKV-Verband erarbeitet, wird erläutert.
Die Vorschläge von BÄK und PKV würden im Anschluss im Rahmen der Erstellung eines Verordnungsentwurfes für eine GOÄ-Novellierung von der Bundesregierung geprüft. Vor diesem Hintergrund sei eine Bewertung konkreter Beträge für die Vergütung der Todesfeststellung in der GOÄ durch die Regierung derzeit nicht sachgerecht, heißt es weiter. Die Einführung einer Kostenübernahme als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht vorgesehen. Die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Bestattungswesens liege ausschließlich bei den Ländern, so die Bundesregierung.
Die Linken hatten in ihrer Vorbemerkung zur Anfrage darauf hingewiesen, dass die Feststellung des Todes und die Ausstellung eines Totenscheins durch einen Arzt in der Regel von den Angehörigen bezahlt werden muss, da diese ärztliche Leistung nach der GOÄ abgerechnet werde. Sie verwiesen auf Fälle, in denen Ärzte zu hohe Gebühren verlangten.
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Die Linken schlagen deshalb vor, die Todesfeststellung als Kassenleistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. So könnten Überforderung der Angehörigen bei der Rechnungsprüfung und unzulässig hohe Arztrechnungen rund um die Todesfeststellung zumindest für gesetzlich Versicherte weitgehend vermieden werden. Möglich sei aber auch eine steuerfinanzierte und kommunal beziehungsweise durch die Länder administrierte Lösung, die dann auch ehemals privatversicherte Verstorbene einschlösse, heißt es. © EB/aerzteblatt.de

Wozu dient die Leichenschau?
1. Die Todesfeststellung ist für das Standesamt und das Personenstandsregister.
2. Der Todeszeitpunkt ist wichtig für Leistungen wie Rente, Pflegegeld, Lebensversicherungen, Heimverträge etc.
3. Die todesursächliche Grunderkrankung ist für die Todesursachenstatistik gedacht.
4. Die unmittelbar zum Tode führende Erkrankung interessiert niemanden. Sie wird nicht ausgewertet und dient lediglich einer gewissen Plausibilitätskontrolle.
5. Die Todesart (natürlich/nicht-natürlich) interessiert nur Strafverfolgungsbehörden und bestimmte Versicherungen.
Ergo: Die Leichenschau bedient nahezu ausschließlich staatliche Interessen. Daher sollte sie auch aus Steuermitteln finanziert werden.

Warum ist die Todesfeststellung eigentlich keine Kassenleistung?!
Fakt ist: Nicht alle Ärzte rechnen die Leichenschau GOÄ-Konform ab.
Das Risiko dabei erwischt zu werden ist allerdings gering. Bestatter weisen gutgläubige Hinterbliebene nicht gerne auf offensichtliche Abrechnungsfehler hin, denn deren Angst ist groß, von den Ärzten künftig bei anderen Sterbefällen nicht weiterempfohlen zu werden. Die Hinterbliebenen selbst haben wahrhaft andere Probleme, als sich mit einer Arztrechnung an die Landesärztekammer zu wenden. Sie verstehen ja kaum, dass die Kosten nicht mehr von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden und der Verstorbene postum zum Privatpatienten mutiert ist. In den Fällen, in denen sie Rechnungen doch einreichen, weil der Arzt eine Pauschale berechnet hat (also keine Gebührenziffern nach der GOÄ aufführt) oder neben der Ziffer 100 (=Leichenschau) unzulässigerweise noch die Ziffern 50 (=Besuch) oder 4 (=Fremdanamese), oder gar noch Zuschläge für sofortige Ausführungen oder Nacht- und Wochenendzuschläge erhebt, kommt es lediglich zu einer korrigierten und GOÄ-konformen Rechnung. Weitergehende Konsequenzen muss ein falschabrechnender Arzt nicht fürchten. So liegen den mir bekannten Bestattern Honorarforderungen vor, die regelmäßig über 100 EUR, in wenigen Einzelfällen sogar fast 200 EUR erreichen. Blöd also, wer als Arzt versucht sich gesetzesgetreu zu verhalten und lediglich 33,51 EUR (=100 GOÄ mit 2,3fachen Steigerungssatz) zuzüglich Wegegeld und ggfls. Formularkosten in Rechnung stellt.
Mit ist dabei vollkommen unverständlich, warum sich die Ärzteschaft kriminalisieren lässt. Denn sie ist dem perfiden Spiel, welches der Gesetzgeber spielt, auch nur Opfer. Um es ganz klar zu sagen: Jeder Schlüsseldienst bekommt für das simple Türöffnen mehr Geld, als ein Arzt, der des Nachts bei Winter und Wetter rausjagt, um den Tod festzustellen. Zu Recht bezeichnet die Bundesärztekammer einen Betrag von 170 EUR als halbwegs angemessen. Unter uns Gebetsschwestern: Wer glaubt denn, dass ein Arzt bei der derzeitigen Honorarstruktur hingeht und wie in den Landesbestattungsgesetzen gefordert die Leiche vollständig entkleidet und in alle Körperöffnungen blickt?! Da wird der Tod, so haben es mit Hinterbliebene in meinen Trauergesprächen häufiger berichtet, durch Wackeln am Kinn oder maximal durch Anheben der Bettdecke festgestellt. Auch auf die Gefahr hin, dass den Ärzten, die von sich behaupten die Leichenschau immer fachlich korrekt durchgeführt zu haben, Unrecht getan habe: Würden die Ärzte tatsächlich Leistungsadäquat bezahlt werden, dürften keine Zweifel an einer fachlich korrekt durchgeführten Leichenschau aufkommen.
Solange aber der Gesetzgeber die Ärzteschaft seit 1996 (!) Jahr um Jahr vertröstet – aktuell wird die GOÄ-Reform für Wahlkampfjahr 2017 in Aussicht gestellt – kann ich Ärzte durchaus verstehen, die sich in einer Art von „Notwehr“ eine Rechnung so „zusammenbauen“, dass sie annähernd den tatsächlichen Aufwand abbildet. Jedoch: Man stelle sich vor es gebe eine „GOF“, eine „Gebührenordnung für Friseure“, an die sich alle Friseure bundesweit halten müssten und die Friseure fingen an, weil sie für einen Fassonschnitt zu wenig Honorar erhalten, nun zusätzlich eine Dauerwelle abzurechnen, weil sie vom Honorar des Fassonschnittes nicht leben könnten – der Aufschrei in der Republik wäre groß. Die „GOF“ gibt es natürlich nicht – aber die GOÄ. Und diese wird nicht von allen Ärzten im Fall der Leichenschau korrekt angewendet.
Was bleibt zu tun?
1. Das Abzocken von Hinterbliebene durch manche Ärzte muss sofort aufhören. Die Ärzteschaft darf in Form und Höhe nur das abrechnen, was die GOÄ in ihrer jeweils gültigen Fassung hergibt, auch wenn das Honorar deutlich zu niedrig ist.
2. Das „Ärzteblatt“ sollte alsbald einen Artikel darüber veröffentlichen, welche Kosten wirklich im Rahmen einer Leichenschau in Ansatz gebracht werden dürfen und somit auch so machen Falsch-Informanten von Internetseiten mit Tipps zur „Abrechnungsoptimierung“ das Wasser zu entziehen. Eventuell ist es ja wirklich so, dass Abrechnungen lediglich durch Unwissenheit falsch erstellt wurden...
3. Der Druck auf die Politik, die GOÄ so anzupassen, dass das Honorar für die Leichenschau auch den tatsächlichen Aufwand widerspiegelt, muss durch die Bundesärztekammer – im Zweifel mit medialer Unterstützung – erhöht werden.
4. Idealerweise wird die Todesfeststellung eine Kassenleistung. Hierdurch werden Hinterbliebene vor falsch abrechnenden Ärzte geschützt.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk R. Schuchardt
-Trauerredner-

dummes Geschwätz und Wichtigtuerei
Oder aber, für wie dämlich sie uns halten müssen.
Da wird uns leichenschauenden Ärzten Honig ums Maul geschmiert, wo doch die Leichenschau bekannterweise und nicht eben erst entdeckt nicht kostendeckend honoriert wird. Bekannt ist das allen, die rechnen können, seitdem es die Leichenschau gibt.
Aber es ist doch bei weitem bei kaum einer anderen Position der GOÄ anders. Alle wissen das, alle tun so, als hätten sie jetzt endliche akzeptable Lösungen, aber was man sehen kann ist nichts, nämlich nur heiße Luft.
Die Leichenschau offenbart das Grundübel der gesamten Gebührenordnung! Würden wir in Rechnung stellen dürfen, was dem tatsächlichen Arbeitsaufwand entspricht, wäre das Honorar kein Thema mehr. So aber kommt es zu der grotesken Situation, daß die Linke monieren wollte, wir würden überhöhte Honorare - nur zufällig untestellt am Beispiel der Leichenschau - fordern, und bekommt als Antwort, die Vergütung sei nicht angemessen.
Also, laßt wenigstens das dumme Geschwätz und das scheinheilige Verständnisgeschwafel, Ihr Gesundheitsminister und Ärztekammerpräsidenten, wenn Ihr schon nicht wirklich etws ändern wollt.
Den Basisärzten wäre es lieber, Ihr würdet sagen, es ist nun mal so, der Sozialstaat macht sich auf Kosten der Ärzte schlank. Basta.

Schon wieder
Nochmal: Die PKV hat mit der GOÄ soviel zu schaffen wie die Kfz-Versicherer mit den Tarifverhandlungen der Kfz-Branche oder - näher dran - die Rechtsschutzversicherer mit der Gebührenordnung der Rechtsanwälte!
Man kann der PKV ja ein Anhörungsrecht einräumen, aber doch kein Verhandlungsmandat!

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