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Politik

Neue Krankenhausplanung: IQTiG legt ersten Bericht vor

Freitag, 19. August 2016

/dpa

Berlin – Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) hat einen ersten Vorschlag vorgelegt, wie die Krankenhausplanung künftig um Qua­litätskriterien erweitert werden könnte. Einen entsprechenden Auftrag hatte das Insti­tut auf Grundlage des Krankenhausstrukturgesetzes vom Gemeinsamen Bundes­aus­schuss (G-BA) erhalten. Auf diese Weise sollen die Bundesländer Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan herausnehmen können, die schlechte Qualität erbringen.

In seinem „Vorbericht“ zu „Planungsrelevanten Qualitätsindikatoren“ hat das IQTiG auf 189 Seiten Vorschläge zu einer qualitätsorientierten Krankenhausplanung erarbeitet, die das Konzept der stationären Qualitätssicherung in Deutschland deutlich verändern wür­den. Grundlage der Qualitätssicherung soll demnach künftig die „Patientenge­fähr­dung“ sein, anhand derer gemessen werden soll, ob die in einem Krankenhaus erbrach­te Qua­lität nicht ausreichend ist.

Schlechte Qualität soll anhand von „Patientengefährdung“ bewertet werden
Das Konzept zur Bewertung einer Patientengefährdung lehnt sich dem IQTiG zufolge an das Risiko-Akzeptanz-Modell zur Bewertung gesundheitlicher Gefahren am Arbeitsplatz der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin an. Patientengefährdung be­schreibt dabei „das vermeidbare Risiko eines Gesundheitsschadens im Rahmen der Patientenversorgung“, heißt es im IQTiG-Bericht. Der Bereich der Risiken für uner­wünschte Ereignisse, der von „nicht vorhanden“ bis „sehr hoch“ anwachse, werde zu Zwecken der Gefährdungseinstufung in drei Bereiche eingeteilt: einen grünen Bereich, einen gelben und einen roten. Im roten Bereich sind die Kriterien einer relevanten Patientengefährdung erfüllt.

Grundsätzlich unterscheidet das IQTiG vier Arten von Patientengefährdung:

  • direkter Schaden durch gegebenenfalls katastrophales Einzelereignis (zum Beispiel Operationen auf der falschen Seite)
  • vermeidbare Schäden durch mangelhafte Versorgungsabläufe (entstehend durch ungenügende Qualität der Behandlungsprozesse)
  • mangelnde Abwehr von Risiken (zum Beispiel die Nutzung operativer Checklisten)
  • unnötige Risikoexposition (Patienten werden zum Beispiel ohne ausreichende Indikation einer risikobehafteten Prozedur unterzogen)

Herausnahme aus dem Krankenhausplan
„Wenn kurzfristig keine Behebung des Qualitätsdefizits durch das interne Qualitäts­ma­nage­ment und die externe Qualitätssicherung mehr erwartet werden kann, besteht für zu­künftige Patienten eine erhebliche Gefahr, die einschneidendere Maßnahmen zur Be­seitigung dieses Risikos erforderlich macht“, heißt es weiter in dem Vorbericht. „Diese können neben der Information der verantwortlichen Krankenhausleitung sowie Ziel­ver­ein­barungen und kollegialen Gesprächen in persistierenden Situationen die Heraus­nahme einer Fachabteilung oder eines Leistungsbereichs einer Abteilung aus dem Krankenhausplan sein.“

Gemessen werden soll die Patientengefährdung zunächst anhand von 22 Qualitätsin­di­ka­toren aus den Leistungsgebieten „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ und „Herz­chi­rur­gie“. Diese Indikatoren hat das IQTiG aus den insgesamt 416 Qualitätsindikatoren he­raus­gesucht, die im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung erhoben wer­den. Maßgeblich für die erste Auswahl der Indikatoren war für das IQTiG das Potenzial eines Qualitätsindikators, erhebliche Patienten­gefährdung belastbar messen zu können.

Algorithmus soll Grenze zur Patientengefährdung definieren
Heute müssen sich Krankenhäuser, die bei der Überprüfung im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung auffällig wurden, gegenüber den Landesgeschäftsstellen Qualitätssicherung erklären. Im Rahmen eines Strukturierten Dialogs sollen die Ur­sache für die Abweichung ermittelt und Ziele gesetzt werden, um eine künftige Abweichung zu vermeiden. Grundsätzlich sollen diese Abläufe künftig beibehalten werden.

Insofern werden die Krankenhäuser ihre Daten weiterhin an die Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung schicken, die sie an das IQTiG weiterleiten. Das IQTiG wird die Da­ten in der Folge auswerten. Bei einer rechnerischen Auffälligkeit werden zunächst „die Fallzahlen einer Einrichtung, die Häufigkeit der Ereignisse oder angeforderten Prozesse sowie stochastische Effekte“ berücksichtigt, wie es im IQTiG-Bericht heißt. „Über einen entsprechenden Rechenalgorithmus“ soll in der Folge die Grenze der Ergebnisse de­fi­niert werden, ab der der Anfangsverdacht eines erheblichen Qualitätsmangels im Sinne einer schweren Patientengefährdung gegeben ist.

Strukturierter Dialog soll künftig ausgesetzt werden können
Liegt ein Anfangsverdacht auf eine schwere Patientengefährdung vor, sollen die Prüf­ins­ti­tutionen das Recht erhalten, die entsprechenden Patientenakten einzusehen. Gegen­über dem IQTiG und den Landesgeschäftsstellen Qualitätssicherung sollen die Kran­ken­häu­ser den „relevanten Versorgungskontext verifizieren“, wie es in dem Bericht heißt. Eine Bewertung des Qualitätsindikators im Rahmen des üblichen Strukturierten Dialogs solle jedoch ausgesetzt werden. Zudem sollen die betroffenen Krankenhäuser „depseu­do­nymisiert“ werden.

Im Anschluss soll der G-BA vom IQTiG eine „einrichtungsbezogene Jahresauswertung sämtlicher Einrichtungsergebnisse“ erhalten sowie „die Spezifikation der aktuell gültigen Maßstäbe und Kriterien zur Bewertung der Ergebnisse“, der dies an die Planungs­be­hör­den der Länder weiterleitet.

Bundesärztekammer: „Erheblicher Änderungsbedarf“
Nach dem Versand des Vorberichts an die Verbände und Organisationen des Ge­sund­heits­wesens hatten diese zwei Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Diese kurze Frist stößt auf Kritik. „Es ist unverständlich, dass die gesetzlich vorgegebene Beteiligung der Institutionen auf eine Stellungnahmemöglichkeit mit einer Frist von zwei Wochen redu­ziert wird“, kritisiert zum Beispiel die Bundesärztekammer (BÄK). „Den Beteiligten wird damit faktisch die Möglichkeit genommen, die umfangreichen Unterlagen mit der ge­bo­tenen Sorgfalt fachlich differenziert zu prüfen.“

Inhaltlich sieht die BÄK „erheblichen Änderungsbedarf“. „Es besteht das erhebliche Ri­si­ko, dass das Konzept der Patientengefährdung zu einer neuen und dabei uner­wün­sch­ten Art von ‚Qualitätskultur‘ in deutschen Krankenhäusern führt, wenn künftig der Nach­weis von Fehlern und Gefahren und nicht der Nachweis einer erfolgreichen und hoch­wertigen Patientenversorgung im Mittelpunkt stehen“, heißt es in der Stellungnahme. „Vergleichbar mit den Nebenwirkungen von Pay-for-Performance-Modellen wird etwa eine Patientenselektion zur Vermeidung gefährlicher Situationen zu den naheliegenden Reaktionen der Krankenhäuser gehören. Die erwünschte und förderungswürdige Qua­li­tätskultur, die mit dem bisherigen Verständnis von Patientensicherheit inzwischen er­ar­bei­tet werden konnte, droht damit konterkariert zu werden.“

Besonders kritisch sieht Günther Jonitz, Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Qua­li­täts­sicherungsgremien der Bundesärztekammer, die unzulässige Verkürzung des bisher erreichten Verständnisses von Patientensicherheit auf das Konstrukt einer „Patienten­ge­fährdung“. „Dies ist nicht nur methodisch fragwürdig, sondern würde auch einen Rück­schritt für den Aufbau einer Sicherheitskultur bedeuten, die auf Prävention setzt und nicht auf Schuld und Sanktion“, so Jonitz.

„Kein aussagekräftiges Qualitätsprofil“
Ein weiteres zentrales Problem sei die Aggregation der verschiedenen vorliegenden In­for­mationen zu einer Gesamtaussage, erklärte die BÄK. Der Gesetzgeber fordere vom G-BA „Maßstäbe und Kriterien zur Bewertung der Qualitätsergebnisse“, die so aussage­kräftig seien, dass sie den Landesbehörden planerische Entscheidungen ermöglichten. „Der Vorbericht enthält aber kein Konzept, wie sich aus Ergebnissen einzelner Indika­to­ren ein aussagekräftiges Qualitätsprofil einer Fachabteilung ableiten ließe“, heißt es in der Stellungnahme.

Zwar sei es dem IQTIG innerhalb kurzer Frist gelungen, mit Hilfe von Literatur­recherchen, explorativen Berechnungen und bereits vorliegenden Qualitätssicherungs­daten poten­ziell geeignete Qualitätsindikatoren zu identifizieren. Wie daraus aussagefähige Quali­täts­profile von Krankenhausfachabteilungen generiert werden sollen, bleibt aus Sicht der BÄK jedoch weitgehend unklar.

Vorschläge zunächst in Modellprojekt erproben
Darüber hinaus treibe das Konzept in seiner jetzigen Form den Trend zur Zentrali­sierung der Qualitätssicherung auf Bundesebene noch weiter voran, kritisiert Jonitz. Er bezieht sich dabei auf die Durchführung des Strukturierten Dialogs, der bisher als Verständi­gungs­instrument zwischen Krankenhäusern und regionalen Einrichtungen der Landes­ebene eingesetzt wird.

Die BÄK meint, dass auf der Grundlage des Vorberichts für den Bereich der Gynäko­logie und Geburtshilfe ein Modellprojekt aufgelegt werden könne. Leider sei die Gesamt­eva­lu­ation des Verfahrens nicht schon im gesetzlichen Auftrag enthalten. „Umso mehr müsste der G-BA den Erprobungscharakter in seinen Richtlinien festschreiben“, so die BÄK.

AWMF: Offener Umgang mit Fehlern droht aufzuweichen
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) kritisiert, dass vorhandene medizinische Qualitätsindikatoren in einem Schnell­schussverfahren für die Krankenhausplanung zweckentfremdet würden. Die AWMF mo­niert, dass das IQTiG das Rad neu erfinden wolle, statt vorhandene und bewährte Maß­nahmen der Qualitätssicherung zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Die AWMF befürchtet zudem, dass Krankenhäuser künftig falsch beurteilt werden könn­ten. „Wenn das IQTiG einzelnen Qualitätsindikatoren so viel Gewicht verleiht, geraten an­dere Eigenschaften von Kliniken womöglich ins Abseits: etwa eine wohnortnahe Basis­versorgung oder qualifiziertes Personal“, heißt es in der Stellungnahme. Zudem habe das IQTiG vorrangig Indikatoren aus wenigen, vorrangig operativen Bereichen aus­ge­wählt. Auch drohe der seit Jahren geförderte und geforderte offene Umgang mit Fehlern aufzuweichen.

Das IQTiG muss seine Ergebnisse bis zum 31. August dem G-BA vorlegen, der bis Ende des Jahres einen ersten Entschluss gefasst haben will. © fos/aerzteblatt.de

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