Politik
Aufbau klinischer Krebsregister verläuft nur schleppend
Donnerstag, 25. August 2016
Berlin – Der Auf- und Umbau regionaler klinischer Krebsregister kommt bundesweit nur schleppend voran, mahnte heute der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband). Ein von ihm in Auftrag gegebenes und heute der Öffentlichkeit vorgestelltes Gutachten des Beratungsunternehmens Prognos zeigt neben fehlenden Gesetzen in einigen Bundesländern vor allem Probleme bei der Datenerfassung, Datenverarbeitung sowie bei der länderübergreifenden Datenvernetzung der Register. Zudem ist die Landschaft klinischer Krebsregister sehr heterogen und länderspezifisch unterschiedlich geregelt.
Bis Ende 2017 soll es jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers in jedem Bundesland arbeitsfähige klinische Krebsregister geben. Dieses Ziel werden nach Ansicht der Gutachter wahrscheinlich nur Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland erreichen können. „Noch ist es aber für alle Bundesländer und Register nicht zu spät, die Vorgaben des Gesetzes zeitgerecht zu erfüllen, aber die im Gutachten aufgezeigten Baustellen müssen nun schnell und konsequent angegangen werden“, mahnte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Kritisch ist die Situation nach Ansicht von Prognos in acht von 16 Bundesländern. Für Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein stufen die Gutachten ein planmäßiges Zielerreichen sogar als gefährdet ein.
„Die Register sind kein Selbstzweck, sondern haben ein klares Ziel: Sie sollen die Versorgung von Krebskranken qualitativ verbessern. Dafür wollen wir unseren Beitrag leisten“, sagte Pfeiffer. Der Aktionsraum der Krankenkassen sei jedoch relativ begrenzt, da der Gesetzgeber ihnen nur einen Prüfauftrag eingeräumt habe. „Diesen werden wir jedoch effektiv und im Sinne unserer Versicherten nutzen. Die praktische Umsetzung des Gesetzesauftrags liegt in der Hand der Bundesländer und der Register“, so Pfeiffer.
Das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium wies die Kritik umgehend zurück und nannte den Sachstand des Prognos-Gutachtens für das Land Schleswig-Holstein „veraltet“. Das Gutachten beziehe sich auf den Stand Mitte Februar 2016. „Bereits Ende Juli ist das klinisch-epidemiologische Krebsregister des Landes Schleswig-Holstein mit einem Meldeportal an den Start gegangen“, so das Ministerium. Schleswig-Holstein gehöre beim Aufbau eines klinischen Krebsregisters keineswegs in die „Schlussgruppe“, sondern sei viel weiter. Man werde die GKV-Förderkriterien erreichen.
Das brandenburgische Sozialministerium hielt den Vorwürfen entgegen, dass der Staatsvertrag des gemeinsamen Klinischen Krebsregisters mit Berlin im April unterzeichnet wurde und das Register schon Mitte des Jahres startete. Auch das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium erklärte: „Das NRW-Krebsregister ist bereits jetzt arbeitsfähig. Die Darstellungen zu Nordrhein-Westfalen basieren offenbar auf veralteten Daten.“
Dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) von 2013 zufolge fördern die gesetzlichen Krankenkassen den Betrieb der klinischen Krebsregister bereits in der derzeitigen Aufbauphase seit 2014, indem sie für jede registrierte Neuerkrankung eine Pauschale von 125 Euro an das betreffende klinische Krebsregister zahlen. Die Zahlung dieser Förderpauschale ab 2018 ist an die Erfüllung von Kriterien gebunden, die seitens des GKV-Spitzenverbandes unter Beteiligung der Leistungserbringer, der Fachgesellschaften, der Patientenvertreter, des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bundesländer entwickelt wurden. Dadurch soll ein Mindestmaß an Qualität garantiert werden, die eine Nutzung der Daten im Sinne des KFRG bundesweit möglich macht.
Bei einer vollständigen Datenerfassung in den Bundesländern werden die Registerkosten für die gesetzliche Krankenversicherung künftig insgesamt rund 50 Millionen Euro pro Jahr beantragen. „Wir haben ein Interesse daran, Fehlentwicklungen zu vermeiden“, sagte Pfeiffer. Bis Ende 2017 sollen die gesetzlichen Krankenkassen prüfen, ob die klinischen Krebsregister in den einzelnen Bundesländern voll arbeitsfähig sind und damit weiterhin gefördert werden können. Der GKV-Spitzenverband will für diese Überprüfung in den kommenden Monaten zusammen mit den Krankenkassen einen bundesweit einheitlichen Bewertungsmaßstab entwickeln. Falls in einem Land Ende 2017 noch nicht alle Kriterien erfüllt seien, habe der Gesetzgeber eine Nachbesserungsfrist bis Ende 2018 eingeräumt, erläuterte Pfeiffer.
Zudem ist der GKV-Spitzenverband gesetzlich verpflichtet, gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung die Höhen der einzelnen Meldevergütungen zur Übermittlung klinischer Daten an klinische Krebsregister festzulegen. Ende 2014 hatten die Vereinbarungspartner das Rahmenwerk zu den Meldevergütungen beschlossen.
Durch den bundesweit flächendeckenden Ausbau klinischer Krebsregister soll eine systematische und einheitliche Datenerfassung sichergestellt und somit die onkologische Qualitätsberichterstattung gestärkt werden. Die klinischen Krebsregister erfassen die Krankheitsverläufe der Patienten. Registriert werden Daten von der Diagnose über einzelne Behandlungsschritte und die Nachsorge bis hin zu Rezidiven. Mit der regelmäßigen Rückmeldung der Auswertungsergebnisse an die behandelnden Ärzte und Kliniken sollen Verbesserungsprozesse in der Krebsbehandlung angestoßen werden. Vor diesem Hintergrund wurde auch im Jahre 2008 der Nationale Krebsplan initiiert. © ER/dpa/aerzteblatt.de

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