Medizin
Entzündungsreaktion im Hirn begünstigt Opioidtoleranz
Donnerstag, 1. September 2016
Atlanta – Eine Entzündungsreaktion des Nervensystems könnte der Grund sein, dass Patienten nach längerer Opioidtherapie eine Toleranz für die Schmerzmittel entwickeln. Möglicherweise könnte man diese Toleranzbildung pharmakologisch blocken, berichten Forscher um Anne Murphy vom Neuroscience Institute of Georgia State im Journal of Neuroscience (2016; doi: 10.1038/npp.2016.131).
Bei einer Opioidtoleranz sprechen Patienten im Verlaufe einer Schmerztherapie nicht mehr so gut auf opiode Schmerzmittel an. Eine Dosiserhöhung geht mit verstärkten Nebenwirkungen und langfristig auch mit einer höheren Gefahr für Abhängigkeiten einher. Grund für die Toleranz ist unter anderem die Desensibilisierung und Herunterregulation von Opioid-Rezeptoren. Die biochemische Kaskade, die zu dieser Desensibilisierung führt, ist laut den Autoren jedoch in großen Teilen unklar.
Aus Vorstudien wussten die Wissenschaftler, dass sogenannte Toll-like-4-Rezeptoren durch Opioide aktiviert werden. Diese Rezeptoren sind Teil der unspezifischen Abwehr und erkennen die Oberfläche von Pathogenen. Wenn Toll-like-4-Rezeptoren aktiviert werden, kommt es auch zu einer Ausschüttung von TNF-alpha. Die Arbeitsgruppe vermutete, dass die zunehmende Opioidtoleranz mit dieser TNF-alpha-Ausschüttung zusammenhängen könnte. Sie bauten auf dieser Hypothese ihre Versuche auf.
Sie infizierten Ratten mit Lenti-Viren, die RNA-Moleküle in sich trugen, die für lösliches TNF-alpha codieren. Durch diese Infektion konnten die Forscher, ihrer Hypothese entsprechend, eine künstliche Opioidtoleranz bei den Ratten aufbauen. Zeitgleich entstand eine Neuroinflammation bei den Ratten. Die Forscher injizierten den Ratten ein spezielles Peptid, welches auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden konnte. Dieses Peptid neutralisiert lösliches TNF-alpha. Nach der Injektion stellten die Forscher fest, dass sich die künstlich erschaffene Opioidtoleranz vollständig zurückbildete. Die entzündliche Reaktion normalisierte sich ebenfalls.
Die Forscher vermuten, dass Opioide die empfindliche Homöostase des Gehirns stören. Diese Störung der Homöostase werde vom Immunsystem als pathogener Zustand fehlinterpretiert, mutmaßen sie. Mit ihren Versuchen konnten sie außerdem zeigen, dass die Toleranz durch eine Bekämpfung dieser Entzündungsreaktion verbessert werden könnte. © hil/aerzteblatt.de

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