NewsAuslandHeroinabhängiger erhält in bayerischem Gefängnis keinen Ersatzstoff
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Ausland

Heroinabhängiger erhält in bayerischem Gefängnis keinen Ersatzstoff

Donnerstag, 1. September 2016

Straßburg – Weil ein Heroinabhängiger im Gefängnis keine Behandlung mit Ersatz­stoffen erhielt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Deutschland wegen Verstoßes gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung verurteilt. Die Straßburger Richter gaben mit ihrem Urteil am Donnerstag einem 61-jährigen Deutschen Recht, der zuvor vergeblich durch alle Instanzen in Deutschland gezogen war.

Der Mann ist seit seinem 18. Lebensjahr heroinabhängig. Bevor er 2008 in Bayern wegen Drogenhandels festgenommen und zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, wurde er seit 1991 mit Ersatzstoffen wie etwa Methadon therapiert. Nach einem sechsmonatigen Entzug in einer Drogenklinik wurde der Mann in ein Gefängnis im bayerischen Kaisheim verlegt.

Dort wurden seine Anträge auf eine Substitutionsbehandlung abgewiesen – obwohl ein von der Gefängnisleitung eingeschalteter Arzt zu dem Schluss kam, diese könnte seine chronischen Schmerzen lindern. Die Behörden argumentierten unter anderem, das Bayerische Strafvollzugsgesetz sehe eine solche Therapie nicht vor. Der Mann zog bis zum Bundesverfassungsgericht, das seine Klage im Jahr 2013 aber nicht annahm. Seit seiner Haftentlassung 2014 erhält er wieder eine Ersatztherapie.

Nach Auffassung des Gerichtshofs für Menschenrechte muss ein Staat dafür sorgen, dass die Gesundheit von Häftlingen angemessen geschützt wird. Nach den Normen des Europarats müssten Insassen von Gefängnissen den gleichen Zugang zu ärztlicher Behandlung erhalten wie die übrige Bevölkerung, heißt es in dem Urteil. Im übrigen seien in 30 der 47 Europaratsländern für drogenabhängige Häftlinge Substitutions­therapien möglich. Dies sei auch in mehreren deutschen Bundesländern der Fall.

Im vorliegenden Fall hätten die bayerischen Behörden der ärztlichen Empfehlung, dem Häftling zur Linderung seiner Schmerzen einen Ersatzstoff zu gewähren, nicht Rechnung getragen, urteilte das Gericht. Damit habe Deutschland gegen den Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, der Folter und unmenschliche Behandlung verbietet.

„Wir werden die Entscheidung zum Anlass nehmen, die Anstalten nochmals zu sensibilisieren, um so künftig in vergleichbaren Konstellationen eine noch bessere Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zu gewährleisten”, kommentierte eine Sprecherin des Justizministeriums in München am Donnerstag die Entscheidung des Menschengerichtshofs.

Das Urteil wurde von den sieben Richtern einer kleinen Kammer einstimmig gefällt. Dagegen kann die Bundesregierung binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen – er muss dies aber nicht tun. © afp/dpa/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Sonntag, 25. September 2016, 15:28

@Practicus zu Ihrem "großen Folterlabor Russland"

Das ist schon wirklich üble Polemik, jeder kennt dort das "Alkoholproblem", dazu gibt eine schöne Publikation für Fachinteressierte: BMC Med. 2016; 14: 42. doi: 10.1186/s12916-016-0590-x
Gorbatschow der "Idealist" wollte das eindämmen einfach durch Restriktion auf den Zugriff, mit Erfolg, wie Sie hier lesen können, dann kam der "Amerikaner" Jelzin und das Gegenteil passierte, ein schöneres Experiment bei der identischen Bevölkerung in kurzer Zeit gibt es kaum. Begleitet mit wirtschaftlichem Chaos bis zur Zahlungsunfähigkeit und Hungertote.
Und was "der Westen" (USA), wir gehören leider halbherzig dazu, in der Ukraine angerichtet hat, das kann sich jeder Interessierte gerne vor Ort Ansehen, ich war mehrfach in Odessa, da gibt es ALLES an Drogen, AIDS und auch Cholera, welch ein Fortschritt. Dafür reicht das Geld für die Rentner nicht mehr. Bei uns in Deutschland steigt jedenfalls die Zahl der Drogentoten.
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Sonntag, 25. September 2016, 15:10

@Practicus wenn schon, bitte meinen Namen richtig schreiben.

Es reicht nun wirklich,
sie schreiben hier nicht in der Bildzeitung sondern im Ärztblatt.
Von Stoffwechsel verstehe ich offentsichtlich dreimal so viel wie Sie; ich war Mitbegründer eines nicht ganz kleinen regionalen ärztlichen Arbeitskreises Schmerztherapie und habe selbst Opiate bei inkurablen Tumorpatienten gegeben und raten Sie mal, welches „graving“ die entwickelt haben, ALLE ohne Ausnahme, trotz Dosissteigerung:
überhaupt kein graving.
Das ist ärztliche Therapie.
Wenn Sie also dem Publikum weiß machen wollen, dass „graving“ noch nach 6 Monaten Abstinenz besteht, dann lügen Sie. Rückfallrisiko gibt es bei jeder Sucht, Raucher können ein Lied davon singen auch Alkoholiker die clean sind, ja auch dass gibt es und man kann dann verfolgen, dass sich sogar eine Lebercirrhose zurückbildet.
Ihr Diskussionsstiel mit "veraltet" oder "Stammtischparolen" unverschämterweise auch noch „obsolet“, ist also sachlich falsch und erweckt den Verdacht, Sie betreiben hier Drogenreklame, warum auch immer.
Der Interessierte weis auch, dass besonders beim "Jugendschutz" angefangen mit Alkohol Deutschland auf einem BESCHÄMENDEN vorletzten Platz ALLER OECD-Länder gelandet ist. Da hilft auch kein Max Planck, von dem Sie sicher auch keine Ahnung haben.
Ich habe mich als junger Assisten im Uni-Isolierhaus mit einem hübschen jungen Mädchen unterhalten die (nur) Hepatitis wegen einem i.v. Drogentrip in Holland gefangen hatte, was sie denn mal (beruflich) werden wolle. Sie antwortete „Krankenschwester“, ich sagte, dass wäre wohl zu spät, nicht wegen der Hepatitis, die hab ich auch (beruflich) hinter mir, sondern wegen der Drogen.
Natürlich hatte sie in dem Zeitpunkt im Krankenhaus nichts bekommen und auch kein graving.
Avatar #79783
Practicus
am Samstag, 24. September 2016, 23:54

Lieber Kollege Baierl

Wenn Suchtkranke nach 6-monatiger Entwöhnung "clean" wären, hätten sie recht - aber Süchtige leiden weiter an einem unstillbaren Verlangen nach dem Suchtstoff, auch wenn sie clean sind. Unkontrollierbares Craving bringt den Häftling in nachhaltige Gefahr, im Gefängnis kursierenden Stoff unter extrem gefährlichen Bedingungen (Sepsis, HIV, HCV)zu konsumieren, wenn das Suchtstoffverlangen nicht mit einer Ersatzdroge wie Methadon unterdrückt wird. Sogar die WHO empfiehlt die Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit als "Methode der ersten Wahl" Der "drogenfreie Knast" ist bekanntlich eine Illusion - im Knast gibt es alles, nur teurer als "draußen". Sucht ist eine erworbene Gehirnkrankheit, die mit Zwangsabstinenz und Psychotherapie so gut behandelbar ist wie MS oder Parkinson. Und für Opiatabhängige steht halt nur die Behandlung mit Opioden unter kontrollierten Bedingungen zur Verfügung. Und auf die hat auch ein Inhaftierter einen Rechtsanspruch.
Ihr Verständnis von Suchtkrankheiten ist wohl mittlerweile veraltet - auch wenn Sie noch die Mehrheit der Ärzteschaft hinter sich haben. Laut Max Planck setzen sich bekanntlich neue Erkenntnisse durch Aussterben der Vertreter der obsoleten Meinung durch, nicht durch deren Meinungsänderung
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Freitag, 23. September 2016, 23:30

nicht so aggressiv Herr Kollege? @Practicus

ich habe eine FRAGE zu Vorgeschichte des Klägers gestellt:
"Nach einem sechsmonatigen Entzug in einer Drogenklinik"
Er war also clean, da er auch anschließend im Gefängnis nicht weiter "substituiert" wurde,
welchen anderen Sinn hat bitte eine so lange Entzugsbehandlung?
Welches Problem haben Sie damit, weil Sie mich hier beleidigen?
Avatar #79783
Practicus
am Dienstag, 20. September 2016, 23:47

@Dr Bayerl

Herr Kollege, Stammtischparolen gehören auch an den Stammtisch! Für einen BtM-Abhängigen ist die Substitution eine Medizinische Behandlung von Entzugserscheinungen und Suchtdruck. Da hat niemand einen wohligen Rausch - aber Zwangsentzug ist Folter wie Nahrungsentzug.
Nach heutiger Auffassung ist Sucht eine erworbene Gehirnerkrankung, die nicht durch den Substanzentzug verschwindet.
Die bayrische Drogenpolitik ist übrigens sehr erfolgreich: Nirgends wird weniger substituiert, nirgends sterben mehr Drogenkranke in Deutschland wie in Bayern. Erwünschtes sozialverträgliches Frühableben? Im großen Folterlabor Russland werden drogenkranke nach der "Dr.Bayerl-Methode" behandelt - Erfolgsquote 0.0%, aber außerordentlich tödlich.
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Dienstag, 20. September 2016, 09:39

und was ist mit dem 6-monatigem Entzug?

staatlich geförderte Drogenabhängigkeit!
LNS
LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER