Politik
Hessen erprobt Leitfaden für Krankenhauspatienten
Montag, 5. September 2016
Wiesbaden – Ein Handbuch für Patienten soll künftig helfen, Fehler in hessischen Krankenhäusern zu vermeiden. Patientenwohl und Patientensicherheit müssten immer oberste Richtschnur sein, sagte Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU), der die Broschüre heute im Landtag vorstellte. Grüttner sieht zwei Ansatzpunkte, um Fehler zu vermeiden: Zum einen müssten die Kliniken eine Kultur schaffen, in der Fehler nicht verheimlicht, sondern öffentlich gemacht würden, damit man aus ihnen lernen könne. Zum anderen brauche man aufgeklärte, mündige Patienten, die den Mut hätten, den Mund aufzumachen, wenn ihnen etwas komisch vorkomme.
Bei Letzterem soll das 22-seitige Heft „Sicher im Krankenhaus – Ein Ratgeber für Patienten“ helfen. Darin wird erklärt, was Kliniken für die Sicherheit der Patienten tun und was die Patienten selbst beitragen können. Das Heft enthält unter anderem Tipps, wie Verwechslungen und Medikationsfehler rechtzeitig erkannt und somit verhindert werden können. Mit dem Leitfaden soll auch die Kommunikation zwischen Klinikmitarbeitern und Patienten gefördert sowie mehr Transparenz über Abläufe in Krankenhäusern geschaffen werden.
„Viele Patienten wissen zum Beispiel nicht, warum sie vor jedem Behandlungsschritt vom Klinikpersonal nach ihrem Namen gefragt werden und empfinden dies möglicherweise sogar als lästig“, sagte Barbara Voß, Leiterin der Landesvertretung Hessen der Techniker Krankenkasse. Dass die Identität der Patienten immer wieder überprüft werde, sei jedoch ein wesentlicher Beitrag dazu, dass Verwechslungen – die lebensgefährlich werden könnten – ausgeschlossen werden.
Nach dem Lesen des Leitfadens wüssten die Patienten nun viel besser, warum die Krankenhausmitarbeiter tun, was sie tun. Darüber hinaus sollen Patienten lernen, im Zweifelsfall lieber einmal zu viel als zu wenig nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen oder sogar vermuten, dass in der Behandlung etwas nicht richtig läuft.
Für den Erfolg des Projektes sei es wichtig, „dass Patienten die Broschüre nicht einfach nur kommentarlos in die Hand gedrückt bekommen“, betonte Hartmut Siebert, stellvertretender Vorsitzender des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS). Mitarbeiter des Instituts für Patientensicherheit (IfPS) haben deshalb das Klinikpersonal vor Ort geschult und darauf vorbereitet, wie es die Patienten über Zweck und Ziele des Leitfadens aufklären kann. Außerdem wurden die Krankenhäuser angeleitet, wie sie auf mögliche Rückfragen der Patienten reagieren können. Zusätzlich standen den Kliniken zur Vorbereitung ein Lehrfilm und ein Handbuch mit Hinweisen und Empfehlungen zur Umsetzung im praktischen Alltag zur Verfügung.
Einsatz in Chirurgie und Innerer Medizin
Die Asklepios Paulinen Klinik setzt die Broschüre derzeit in ihrer chirurgischen Abteilung und der Inneren Medizin ein. Seit Juli haben dort rund 200 Patienten die Broschüre ausgehändigt bekommen. „Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass die Patienten sehr positiv auf den Leitfaden reagieren“, sagte Ulrich Schulze, Geschäftsführer der Asklepios Paulinen Klinik. Auch die Mitarbeiter nähmen die Broschüre als Unterstützung in der Kommunikation mit den Patienten wahr.
„Zunächst hatten einige unserer Mitarbeiter die Befürchtung, die Broschüre könnte die Patienten sogar etwas verunsichern. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Patienten fragen nun viel gezielter nach, wenn sie etwas nicht ganz verstanden haben. Diese Rückmeldungen helfen dann natürlich auch dem Klinikpersonal, seine Arbeit noch besser zu machen“, so Schulze weiter.
Kritik an der Aktion kommt von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Eine Hochglanzbroschüre verhindert keine Behandlungsfehler. Hier bei den Patienten anzufangen, stellt den Patientenschutz auf den Kopf“, findet Vorstand Eugen Brysch. Verantwortlich seien Ärzte und das Krankenhauspersonal. Die Idee, Patienten zur Kontrolle des Krankenhauspersonals anzuhalten, findet Brysch „absurd“.
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Die Landesärztekammer zeigte sich überrascht von dem Vorstoß aus Wiesbaden – sie war in die Aktion des Ministeriums nicht eingebunden. „Grundsätzlich ist das zu begrüßen, wenn man sich um Patientensicherheit bemüht“, kommentierte Kammerpräsident Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. „Aber es wäre sinnvoll, wenn man nicht jedes Mal das Rad neu erfinden würde“.
Evaluation soll Broschüre noch besser machen
Die Broschüre wurde vom Sozialministerium, der Techniker Krankenkasse (TK) und dem Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) entwickelt. Die Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden, das Ketteler Krankenhaus in Offenbach und das Klinikum Fulda haben sie einen Monat lang an insgesamt 500 Patienten getestet. Die Patienten erhielten den Leitfaden jeweils bei der Aufnahme ins Krankenhaus.
Um wissenschaftlich einschätzen zu können, ob die Broschüre für Veränderungen im Krankenhausalltag gesorgt hat und sich die Patienten nun besser aufgeklärt und miteinbezogen fühlen, findet eine umfangreiche Evaluation des Projektes durch das IfPS statt. Sowohl Klinikmitarbeiter als auch Patienten werden in diesem Zusammenhang über ihre Erfahrungen befragt. Sobald die Ergebnisse der Evaluation feststehen, soll die Erstauflage der Broschüre, wie sie nun in den drei Pilot-Krankenhäusern eingesetzt wurde, überarbeitet werden. Anschließend ist eine hessenweite Ausweitung geplant. © dpa/EB/aerzteblatt.de

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