Politik
Pflegereform: Streit um Regelungslücke
Mittwoch, 7. September 2016
Berlin – Bis zu zehn Prozent der Bewohner von Pflegeheimen erhalten keine Leistungen der Pflegeversicherung. Meist werden in diesem Fall die Heimkosten vom Sozialhilfeträger übernommen. Dies könnte sich bald zum Nachteil der betroffenen Heimbewohner ändern, befürchtet der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Er verweist auf eine Regelungslücke im dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III).
Laut bpa fehlt im PSG III für das Sozialhilferecht eine Regelung, durch die ab Januar 2017 für Heimbewohner, die nicht in die Pflegegrade 2 bis 5 eingestuft werden, die Finanzierung der Heimkosten durch den Sozialhilfeträger sichergestellt ist. Betroffen wären demnach vor allem ältere Menschen, die einen geringen Pflegebedarf haben, aber trotzdem nicht mehr alleine in ihrer Wohnung leben können.
„Bereits jetzt weigern sich einzelne Sozialhilfeträger, die bestehenden Vereinbarungen mit den Pflegeheimen über das Jahr 2016 hinaus zu verlängern. Bleibt der Gesetzgeber bei seiner Absicht, müssten die Pflegeheime bis zu 80.000 Heimbewohnern kündigen, da die Heimkosten nicht gezahlt werden können“, heißt es vom bpa.
bpa-Präsident Bernd Meurer betonte, mit der Pflegereform sei zugesichert worden, dass sich die Versorgungssituation für niemanden verschlechtere. Alle Beteiligten benötigen dringend ein verlässliches Signal, dass die Sozialhilfeträger auch künftig die Kosten tragen würden, wenn die Unterbringung in einem Pflegeheim notwendig sei, aus dem eigenen Einkommen aber nicht bezahlt werden könne.
Der pflegepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Erwin Rüddel betonte, dem für das Sozialhilferecht zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei das Problem „seit Monaten bekannt“. Er forderte die zuständige Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) auf, „endlich für eine Lösung zu sorgen“, die zum 1. Januar 2017 greife.
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Das Bundessozialministerium (BMAS) versicherte auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, es werde im PSG III, das sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befinde, keine Gesetzeslücke geben. „Ziel ist, dass ein Heimplatzverlust vermieden wird“, sagte ein Sprecher. Personen, die bisher Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ – die zur Sozialhilfe gehört – bekämen, könnten darauf vertrauen, auch künftig diese Leistungen zu erhalten. Die Zahl von 80.000 Senioren, denen ein Heimplatzverlust drohe, nannte das Ministerium „völlig aus der Luft gegriffen“.
Laut BMAS sollen Menschen mit der „Pflegestufe 0“ auch in Zukunft Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ erhalten, da sie weitgehend insbesondere bei eingeschränkter Alltagskompetenz mindestens in den „Pflegegrad 2“ eingestuft würden und somit einen Anspruch auf stationäre Leistungen auch nach dem Recht der „Hilfe zur Pflege“ hätten. „Soweit Personen nur in ,Pflegegrad 1' eingestuft werden, werden Leistungen in Form eines Entlastungsbetrags entsprechend der für diesen Pflegegrad geringen Beeinträchtigung erbracht“, heißt es weiter. Bestehe ein weitergehender notwendiger Bedarf, der nicht in einer Pflegebedürftigkeit begründet läge, kämen laut BMAS Leistungen nach anderen Vorschriften des Sozialgesetzbuches XII in Betracht, wie zum Beispiel Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe in sonstigen Lebenslagen.
Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden in der sozialen Pflegeversicherung und der „Hilfe zur Pflege“ die drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade übergeleitet. Durch Überleitungsvorschriften soll sichergestellt werden, dass Bedürftige in entsprechende, höhere Pflegegrade eingestuft werden. Soweit die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nicht ausreichen, soll die „Hilfe zur Pflege“ laut BMAS auch künftig bei finanzieller Bedürftigkeit ergänzende Leistungen erbringen. Darüber hinaus würden durch die „Hilfe zur Pflege“ Leistungen für Nichtversicherte erbracht, hieß es. © may/EB/aerzteblatt.de

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