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Debatte um gruppennützige Forschung an Nichteinwilligungs­fähigen geht weiter

Dienstag, 6. September 2016

dpa

Berlin – Die Debatte um die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Men­schen, wie zum Beispiel an Demenzkranken, geht in eine neue Runde. Im Juli war aufgrund von unterschiedlichen Ansichten bei diesem Thema die namentliche parlamen­tarische Abstimmung über den „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arznei­mittel­rechtlicher und anderer Vorschriften“ verschoben worden. Jetzt steht alles wieder auf „Anfang“. „Wir brauchen Zeit und ein geordnetes parlamentarisches Verfahren“, sagte die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) heute in Berlin. Bei nichteinwilligungsfähigen Menschen handele es sich um eine besonders schutzbe­dürfti­ge Gruppe.

Gemeinsam mit dem Behindertenbeauftragten der Unionsfraktion, Uwe Schummer, sowie den Gesundheitspolitikerinnen Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Kathrin Vogler (Linke) hat Schmidt einen Änderungsantrag zu dem umstrittenen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Großen und Ganzen die geltende Rechtslage beibehalten will. Man wolle den heuti­gen Schutzstandard für Menschen in ihrer schwächsten Phase sichern, sagte Schummer. „Denn je schwächer der Mensch, desto stärker muss die Schutz­funktion des Staates sein.“

Dem Vernehmen nach konnten die Initiatoren über die Sommerpause hinweg für ihren Änderungsantrag mehr als 120 Unterzeichner aus allen Fraktionen gewinnen. Auf die Tagesordnung des Plenums werde die Diskussion um die gruppennützige Forschung voraussichtlich übernächste Woche gelangen, sagte Schmidt. Auch erneute Ausschuss­be­ratungen sowie Anhörungen werde es geben. Man schlage vor, den Punkt „gruppen­nützige Forschung“ aus dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittel­rechtlicher und anderer Vorschriften auszuklammern, intensiv zu diskutieren und die Mehrheitsentscheidung später wieder in das Gesetz einzufügen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will dagegen Arz­nei­mittelversuche an nichteinwilligungsfähigen Patienten in engen Grenzen erlauben. Dazu müssen die Be­troffenen bei noch klarem Bewusstsein ihre Bereitschaft in einer speziellen Verfügung do­kumentiert haben und sich zuvor ärztlich beraten lassen. Mit dem Gesetzentwurf sei­nes Hauses soll deutsches Recht an die EU-Verordnung über klinische Prüfungen (Nr. 536/2014) angepasst werden. Diese sieht für die Teilnahme nicht einwilligungs­fähiger Personen an gruppennützigen Studien lediglich die Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters vor.

Gröhe berief sich bei der Vorlage des Gesetzentwurfs auf Aussagen des KKS-Netzwerks, nach denen gruppennützige Studien notwendig seien, um Medikamente gegen Demenz zu erproben. Die klinischen Forscher hätten deutlich gemacht, dass es beispielsweise bei Demenz große Forschungslücken im Spätstadium der Erkrankung gebe, die man nicht durch die Forschung an noch Einwilligungsfähigen schließen könne.

Bei der akademischen klinischen Forschung gehe es um die Optimierung der Therapie der Patienten auf der Basis von Evidenz. Es gebe Fälle, in denen sich Ergebnisse aus früheren Krankheitsstadien oder von einwilligungsfähigen Patienten nicht übertragen ließen. Diese seien zwar selten, hier sei aber gruppennützige Forschung notwendig. „Eine solche Forschung ist für diese Gruppe von Patienten von höchster Relevanz und sollte daher nicht grundsätzlich vorenthalten, sondern unter den vorgesehenen engen Vorgaben und strengen Schutzvorschriften ermöglicht werden“, so das KKS-Netzwerk.

Beim Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland geht man davon aus, dass sich die Zahl der gruppennützigen Forschungsvorhaben in Grenzen halten wird. „Wir sind außerdem der Ansicht, dass die EU-Verordnung mit ihren strengen Anforde­run­gen die Studienteilnehmer ausreichend schützt“, sagte deren Vorsitzender, Joerg Has­ford vor der Sommerpause dem Deutschen Ärzteblatt. Eine Evaluation der Regelung nach drei Jahren sei jedoch wünschenswert. © ER/aerzteblatt.de

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