Medizin
Neue Gerinnungshemmer nicht ohne Blutungsrisiko
Donnerstag, 8. September 2016
Köln – Patienten, die direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) einnehmen, stellen in der traumatologischen Notaufnahme eine Herausforderung dar. Zwar ist die Blutungsgefahr nach der Einnahme dieser Gerinnungshemmer niedriger als bei den Vitamin-K-Antagonisten. Ein Restrisiko besteht aber dennoch. Ärzte sollten Operationen von DOAK-Patienten wenn möglich um 24 bis 48 Stunden aufschieben. Diese Empfehlung geben Mediziner aus verschiedenen Kliniken Deutschlands auf Basis einer Übersichtsarbeit, die im Deutschen Ärzteblatt publiziert wurde (DOI: 10.3238/arztebl.2016.0575).
Direkte orale Antikoagulanzien in der traumatologischen Notaufnahme
Direkte oder nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien bieten eine Alternative zu Vitamin- K-Antagonisten zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor für Schlaganfälle.
DOAKs oder nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien:
- Apixaban
- Dabigatran
- Edoxaban
- Rivaroxaban
Indikationen:
- Prophylaxe von Schlaganfällen
- Prophylaxe systemischer Embolien
- Therapie/Rezidivprophylaxe venöser Thrombembolien
- Periphere Prophylaxe venöser Thrombembolien bei Hüft- und Kniegelenkersatz
- Akutes Koronarsyndrom
Jeder vierte Patient in der Notaufnahme unter Antikoagulation muss die Therapie innerhalb von zwei Jahren temporär unterbrechen – zumeist aufgrund einer Operation. Diese Eingriffe bei Schwerverletzten gehen mit einer mehr als doppelt so hohen Mortalität einher, verglichen mit Patienten ohne Gerinnungsstörung (17 versus 43 %).
Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, muss der behandelnde Arzt die Wirkdauer der DOAKs kennen. Spitzenkonzentrationen im Blut erreichen die Medikamente zwei bis vier Stunden nach der Einnahme. „Zu diesem Zeitpunkt ist das Blutungsrisiko am höchsten“, sagt Erstautor Marc Maegele von der Universität Witten/Herdecke, tätig bei den Kliniken der Stadt Köln-Merheim. Erst nach 24 Stunden sollten keine blutungsrisikorelevanten Plasmaspiegel mehr vorliegen. „Bei eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion kann sich das Risiko individuell über die genannten Zeitfenster von 48 Stunden verlängern “, warnt Maegele.
Unzureichende Gerinnungstests und fehlende Antidote
Um den Plasmaspiegel zu messen, schätzen Ärzte die Thrombinzeit ab oder führen einen Anti-Faktor-Xa-Aktivitätstests durch. „Die in der Routine eingesetzten Gerinnungstests geben die antikoagulatorische Wirkung jedoch nur unsicher wieder“, räumt Maegele ein. Eine Operation sollten Ärzte daher, wenn möglich erst später durchführen. Bei geringem Blutungsrisiko können die Patienten 24 Stunden nach dem Eingriff ihre DOAK-Therapie fortsetzen. Einige Autoren schlagen auch kürzere Pausen von sechs bis acht Stunden vor. Bei hohem Blutungsrisiko sollten die Betroffenen zwei bis drei Tage warten, bis sie die Gerinnungshemmer wieder einnehmen.
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Immer mehr Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor für Schlaganfälle werden auf DOAKs umgestellt. Darunter sind auch zunehmend ältere Patienten mit erhöhtem Sturz- und Fraktionsrisiko. „Dabei darf man die vermeintlich einfache Handhabung und das günstigere Nutzen-Risiko-Profil hinsichtlich lebensbedrohlicher Blutungen nicht überschätzen“, warnt auch Jürgen Koscielny von der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Tritt im Notfall dennoch eine Blutung auf, so existiere bisher nur einziges Antidote für alle DOAKs, der monoklonale Antikörper Idarucizumab. Er wirkt gegen Dabigatran. © gie/aerzteblatt.de

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