Politik
TK-Report: Nur eines von 23 neuen Arzneimitteln brachte therapeutischen Fortschritt
Mittwoch, 7. September 2016
Berlin – Nur eines der 23 im Jahr 2013 auf den Markt gekommenen Arzneimittel hat einen therapeutischen Fortschritt gebracht. Das ist ein Ergebnis des Innovationsreports 2016, den das Forschungszentrum Ungleichheit & Sozialpolitik (Socium) an der Universität Bremen im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) angefertigt hat. Drei Jahre nach der Zulassung wurde dabei untersucht, ob die Arzneimittel über einen Zusatznutzen verfügen, ob für den jeweiligen Indikationsbereich bereits verfügbare Therapien vorlagen und ob der Preis höher liegt als bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Das Gesamtergebnis wurde in einem Ampelschema dargestellt.
Das einzige Arzneimittel, das im Report als innovativ bezeichnet wurde, ist das Brustkrebsmedikament Perjeta mit dem Wirkstoff Pertuzumab. Neun weitere Präparate erhielten eine gelbe Ampel, 13 eine rote. Gerd Glaeske vom Socium, einer der Herausgeber des Reports, erklärte, dass seit dem Markteintritt der Arzneimittel viel geschehen sei. „Zu vier der 23 untersuchten neuen Arzneimittel wurden mittlerweile Rote-Hand-Briefe verschickt. Es gab vier Marktrücknahmen und eine Vertriebseinstellung.“ Das alles spreche dafür, es nicht alleine bei einer frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zu belassen, sondern zudem eine späte Nutzenbewertung durchzuführen, die diese Informationen miteinbeziehe.
Ludwig fordert Kosten-Nutzen-Bewertung
Bereits im Vorjahr hatten die Autoren des Innovationsreports nur eines der 2012 auf den Markt gekommenen Arzneimittel als wirklichen therapeutischen Fortschritt eingestuft. Im Unterschied zum Vorjahr lag hingegen der Preis pro Packung der neuen Arzneimittel im Jahr 2013 mit 1.418 Euro etwa doppelt so hoch wie im Vorjahr (670 Euro). So generierten die neuen Arzneimittel des Jahres 2013 im ersten Jahr nach ihrer Markteinführung mit 54,6 Millionen Euro zulasten der TK einen nahezu doppelt so hohen Umsatz wie die neuen Arzneimittel des Vorjahres. Am teuersten waren dabei die Onkologika.
Diese Wirkstoffgruppe stellte mit knapp 40 Prozent auch im Jahr 2013 wieder den höchsten Anteil unter den neu auf den Markt gekommenen Arzneimitteln. „Wir wissen heute, dass das AMNOG nicht in der Lage sein wird, die Preisentwicklung zu stoppen“, erklärte dazu der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Wolf-Dieter Ludwig, der auch zu den Herausgebern des Reports zählt. Das AMNOG sei ein sehr wichtiges Gesetz, betonte er: „Aber ohne eine vernünftige gesundheitsökonomische Kosten-Nutzen-Bewertung neuer Arzneimittel werden wir deren Preise nicht in den Griff bekommen.“
Ludwig erklärte, dass die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland mittlerweile fünf Milliarden Euro für Onkologika ausgebe, Fertigarznei- und Rezepturarzneimittel zusammengenommen. „Und dabei geht es nicht um Arzneimittel, die die Patienten heilen, sondern um Medikamente, die das Überleben um einige Monate verlängern“, betonte er. Für die Industrie sei dies dabei ein extrem lukratives Geschäft. Denn für die klinischen Studien von Onkologika bräuchte sie deutlich weniger Patienten als bei Arzneimitteln gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem würden viele Onkologika in beschleunigten Zulassungsverfahren auf den Markt gebracht.
Kaum Neues, um Volkskrankheiten zu bekämpfen
Die dritte Herausgeberin des Reports, Petra Thürmann, Mitglied der AkdÄ, kritisierte, dass seit Inkrafttreten des AMNOG kaum Arzneimittel auf den Markt gekommen seien, mit denen zum Beispiel Volkskrankheiten wie Hypertonie, Rückenschmerzen oder Depressionen behandelt werden könnten. Ein Cholesterinsenker und ein Antidiabetikum seien in dieser Zeit neu zugelassen worden, beide seien mittlerweile aber wieder vom Markt genommen worden.
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Glaeske erklärte, dass es nach wie vor große regionale Unterschiede in der Verordnung neuer Arzneimittel gebe – auch von Medikamenten, die im Report mit einer roten Ampel versehen wurden. „Deren Verordnungsquote lag in den neuen Bundesländern (außer Mecklenburg-Vorpommern) und Hamburg deutlich höher als in den übrigen Bundesländern“, heißt es dazu im Report. „Es ist daher dringend erforderlich, Ärzten flächendeckend eine praxisnah aufbereitete Zusammenfassung der Bewertungsergebnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Verfügung zu stellen.“ Nur so könne das AMNOG endlich in der Arztpraxis ankommen.
Ampelsystem gut oder schlecht?
Die Bundesregierung will den G-BA im Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz damit beauftragen, die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung neuer Medikamente in die Praxissoftware der Ärzte mitaufzunehmen. Dafür sprach sich auch der Vorstandsvorsitzende der TK, Jens Baas, aus. „Ich halte eine vereinfachte Art der Darstellung der G-BA-Beschlüsse zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel für sinnvoll“, meinte er und nannte als Beispiele ein Ampelsystem oder Smileys. „Ärzte sollen bei ihrer Verordnung im Alltag eine Entscheidungshilfe bekommen, bei der sie die Informationen schnell verarbeiten können.“ Sie könnten dann selbst entscheiden, bei welchen Bereichen sie „noch tiefer einsteigen“ wollten.
Vertreter der Pharmaindustrie kritisierten den Innovationsreport. „Welchen Wert ein Medikament in unterschiedlichen Behandlungssituationen hat, lässt sich nicht mit einem simplen Ampelschema vermitteln“, meinte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa). „Rot, Grün und Gelb gilt nämlich in der Therapie – anders als im Straßenverkehr – nicht für jeden Patienten in gleicher Weise.“ © fos/aerzteblatt.de

Kein Wunder.....
Deswegen wurde der Vertrieb des Medikamentes von der Firma eingestellt. Andere Medikamente kamen deswegen des wegen schon gar nicht auf den Markt.
Das kommt davon, wenn man blutige Laien (Spibu, KV-Kommissare und nicht oder falsch aufgeklärte Patientenvertreter) über die Kranken in der GKV bestimmen läßt.
Ich habe jetzt nur Fälle genannt, von denen ich betroffen war.
Ich dachte immer, die "bösen Buben" sind in der. Pharmaindustrie. Nein die größeren "Gauner" sind beim G-BA. Und an der Spitze noch dazu Juristen.
Dieses "Gesundheitssystem" wird für GKV-Versicherte immer gefährlicher.

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