Politik
Paritätische Finanzierung: SPD will schnelle Einigung, CDU sperrt sich
Donnerstag, 8. September 2016
Berlin – Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat einer paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der heutigen Haushaltsdebatte im Bundestag erneut eine Absage erteilt. „Wir halten die Lohnzusatzkosten in Schach“, sagte der Minister. Er warnte zugleich vor falschen Zahlen über steigende Zusatzbeiträge und versicherte, für derartigen „Alarmismus“ gebe es keinen Anlass. Gröhe verwies darauf, dass die Krankenkassen im ersten Halbjahr einen Überschuss von 600 Millionen Euro verbucht hätten.
Vor einigen Wochen hatten Schätzungen für Unruhe gesorgt, wonach der durchschnittliche Zusatzbeitrag für die Krankenversicherung von jetzt 1,1 Prozent bis 2020 auf 2,4 Prozent steigen könnte. Diese Zahlen hat der GKV-Spitzenverband mittlerweile relativiert. Der Zusatzbeitrag, den die Versicherten alleine tragen müssen, kommt zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent hinzu, den sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen.
SPD wirbt für Parität noch in dieser Legislatur
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, forderte die Union auf, ihre Haltung zur Parität zu überdenken und begrüßte Äußerungen des Arbeitnehmerflügels von CDU und CSU, noch in dieser Legislatur die Parität gemeinsam wiederherzustellen. Sie „werbe“ für diesen Vorschlag, so Mattheis. „Das Gesundheitssystem in Deutschland ist ungerecht finanziert“, betonte auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Er bezeichnete die paritätische Bürgerversicherung als „langfristig das wichtigste Projekt“, dass diese Ungerechtigkeit beseitigen könne.
Gesundheitsetat
Der Haushaltsentwurf sieht als Etat für das Gesundheitsministeruim ein Ausgabevolumen von 15,09615 Milliarden Euro vor. 14,5 Milliarden Euro beträgt der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds.
Linke und Grüne hatten in der Debatte vehement darauf gedrungen, zur paritätischen Finanzierung zurückzukehren. „Arbeitgeber sollen genausoviel zahlen wie Arbeitnehmer“, erklärte Gesine Lötsch (Die Linke). Dass die Arbeitnehmer steigende Kosten im Gesundheitswesen allein tragen müssten, sei „nicht in Ordnung“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink.
Deutliche Kritik an Gröhe
Beide bemängelten, dass die große Koalition einmalig im Wahljahr 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des Gesundheitsfonds entnehmen will. Sie verurteilten scharf, dass der Minister diesen Griff in den Fonds auch noch damit begründet hatte, mit dem Geld die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen und die Telematik zu finanzieren. Dabei sei offensichtlich, dass die Mittel allein dazu dienen sollten, die Steigerung der Zusatzbeiträge auf niedrigerem Niveau zu halten. Klein-Schmeink sprach von einem „Wahlkampfmanöver“. Kritik an der Begründung erntete Gröhe auch aus den Reihen der Koalition. Mattheis nannte es „sachlich falsch und politisch hochgefährlich“, dass Gröhe die Flüchtlinge als Argument vorgeschoben habe.
Kabinett verabschiedet Bundeshaushalt
Berlin – Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des Bundeshaushalts 2017 und den Finanzplan des Bundes bis 2020 beschlossen. Wichtigste Botschaft von Kassenwart Wolfgang Schäuble (CDU): Ein ausgeglichener Haushalt mit der „Schwarzen Null“ – erstmals erreicht 2014 nach mehr als vier Jahrzehnten – soll auch in den Folgejahren durchweg bis 2020 stehen – trotz Mehrausgaben. Der Bundeszuschuss an
CDU, CSU und SPD nutzten die Generaldebatte zum Haushalt darüber hinaus – wie in jedem Jahr –, um sich für die zahlreichen Verbesserungen zu loben. „Die Bilanz ist enorm“, betonte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk. Man habe den Koalitionsvertrag „Stück für Stück“ abgearbeitet und sei noch nicht am Ende. Zehn Gesetze habe man auf den Weg gebracht, erklärte auch Mattheis. Alle seien mit deutlichen Verbesserungen für die Menschen verbunden gewesen. Minister Gröhe äußerte sich ähnlich. Die Koalition hob insbesondere das Hospiz- und Palliativgesetz und die Reformen zur Pflege als Beispiele für wesentliche Verbesserungen hervor. Dass diese mit Mehrkosten einhergingen, sei klar gewesen, erklärten unisono SPD, CDU und CSU. Die Opposition übte hingegen Kritik an Details der Reformen und dem „Klein-Klein“ der Haushaltsdebatte.
Internationale Gesundheitspolitik gewinnt an Bedeutung
Untypisch für bisherige Haushaltsdebatten: Gröhe und Michalk hoben die Bedeutung der internationalen Gesundheitspolitik hervor. Deutschland spiele eine wichtige Rolle, erklärte Michalk. Gröhe betonte, diese sei zu einem „Markenzeichen der Bundesrepublik“ geworden. Der Minister kündigte für Mai 2017 ein G20-Gesundheitsministertreffen in Berlin an. Dann wolle man „erstmalig überhaupt im Format der G20 zu einem Gesundheitsministertreffen zusammenkommen“, sagte Gröhe. Gerade bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren, aber auch beim Thema Antibiotikaresistenzen müsse es dem Minister zufolge darum gehen, die Aktivitäten der EU und der G7 mit den großen bevölkerungsreichen Ländern und großen Agrarproduzenten zu verbinden. Zum Thema Antibiotikaresistenzen soll es in Berlin in wenigen Wochen zudem ein internationales Expertentreffen geben, so Gröhe.
Weniger Beiträge zur Krankenversicherung für Geringverdiener?
Bereits gestern hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Generaldebatte zum Haushalt erneut gefordert, dass Geringverdiener durch eine Reduzierung der Sozialabgaben entlastet werden könnten. Auch Geringverdiener zahlten ab dem ersten Euro Beiträge etwa zur Kranken- oder Rentenversicherung, sagte Oppermann. Auf diese Weise lasse sich eine „zielgenaue Entlastung“ bei Beziehern kleinerer Einkommen erreichen. Die SPD verweist in der Diskussion über eine Entlastung der Arbeitnehmer darauf, dass Geringverdiener häufig gar keine oder nur sehr geringe Steuern bezahlen und daher von einer Entlastung in diesem Bereich nicht profitierten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte in der Haushaltsdebatte andere Akzente gesetzt. Er kündigte eine leichte Entlastung bei Steuern, Kinderfreibetrag und Kindergeld für das kommende Jahr an und sprach sich für weitreichendere Schritte dieser Art nach 2017 aus. © may/afp/dpa/aerzteblatt.de

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