Vermischtes
Ältere Patienten erhalten immer weniger riskante Medikamente – aber Polymedikation nimmt zu
Donnerstag, 15. September 2016
Berlin – Ärzte verschreiben älteren Patienten immer seltener Medikamente, die für sie potenziell wenig geeignet sind oder ihnen sogar gefährlich sein können. Nach einer Auswertung des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ist der Anteil der AOK-versicherten Patienten ab 65 Jahren, die mindestens ein für sie potenziell riskantes Medikament von der sogenannten Priscus-Liste erhielten, von 29 Prozent im Jahr 2006 auf knapp 19 Prozent im Jahr 2015 gesunken.
Diese Liste ist unter Leitung von Experten der Universität Witten/Herdecke entwickelt worden und enthält 83 Wirkstoffe, die für ältere Menschen eher ungeeignet sind.
Allerdings gewinnt laut der WIdO-Auswertung das Thema Polymedikation an Bedeutung: Der Anteil der AOK-versicherten Patienten ab 65, die fünf oder mehr Wirkstoffe im Quartal verschrieben bekamen, ist von 49 Prozent im Jahr 2006 auf etwa 55 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Der AOK-Bundesverband sieht dennoch eine positive Entwicklung: „Wir freuen uns, dass sich die Medikationssicherheit für die Patienten verbessert, und engagieren uns dafür, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt“, sagt dessen Vorsitzender Martin Litsch. Er wies daraufhin, dass die AOK niedergelassene Ärzte in vielen Regionen Deutschlands auf Wunsch dabei unterstützt, potenziell gefährliche Kombinationen von Medikamenten bei älteren Versicherten zu erkennen. Rund 100 Beratungsapotheker der AOKen bieten Ärzten mit Unterstützung einer vom WidO entwickelten Software namens „pharmPRO“ eine kostenlose Beratung zu Qualität und Wirtschaftlichkeit der von ihnen verschriebenen Arzneimittel an. Damit lassen sich die Verordnungsdaten eines Vierteljahres in der Regel sechs bis acht Wochen nach Quartalsende tabellarisch oder grafisch aufbereiten.
Laut einer früheren Studie des WIdO aus dem Jahr 2012 wissen viele Patienten nicht, dass die Einnahme mehrerer Medikamente mit einem gesteigerten Risiko für Nebenwirkungen einhergeht. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie forderte daher, Patienten umfassend über Risiken der Arzneimitteltherapie aufzuklären. Klar sei allerdings auch, dass viele chronisch Kranke wegen der Art ihrer Erkrankungen auf mehr als nur ein Medikament angewiesen seien.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit etwa jede zehnte stationäre Aufnahme auf unerwünschte Arzneimittelereignisse zurückzuführen ist. In Deutschland werden laut der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) etwa 0,6 Prozent aller internistischen Notaufnahmen als durch Medikationsfehler bedingt eingeschätzt.
Ab Oktober haben alle Patienten in Deutschland, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Medikamente einnehmen beziehungsweise anwenden, Anspruch auf einen Medikationsplan. Der Plan soll neben verordnungsfähigen Arzneimitteln auch die sogenannten OTC-Präparate aufführen. Die Pläne sind zunächst papiergebunden. Künftig sollen sie auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden. Nach Berechnungen des WIdO werden nahezu 20 Millionen Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben. Das entspricht einem Anteil von mehr als 28 Prozent aller 70 Millionen GKV-Versicherten.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) hat das Thema Medikationssicherheit in den Mittelpunkt des zweiten internationalen Tages der Patientensicherheit am 17. September gestellt. © hil/aerzteblatt.de

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