Ärzteschaft
BDI kritisiert Folgen des Antikorruptionsgesetzes
Donnerstag, 15. September 2016
Berlin – Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) hat von der Bundesregierung eine Liste von Kooperationsstrukturen gefordert, die auch vor dem Hintergrund des Antikorruptionsgesetzes rechtssicher sind. „Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli ist noch kein einziger Prozess geführt worden. Trotzdem wurden bereits aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung zahlreiche sinnvolle Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten infrage gestellt oder gekündigt“, sagte der neue Präsident des BDI, Hans-Friedrich Spies, heute in Berlin im Vorfeld des 9. Internistenkongresses. „Die Politik muss in der derzeitigen Situation retten, was an Strukturen noch zu retten ist.“ Dafür bedürfe es einer Positivliste von kooperativen Strukturen an der Grenze ambulant/stationär, um wieder Rechtssicherheit zu schaffen.
Spies: Durch das Gesetz werden erforderliche Strukturen hinterfragt
Spies betonte, dass der BDI unzulässige Überweisungen gegen Entgelt selbstverständlich ablehne. Hier müsse überprüft werden, ob das bei solchen Verträgen vereinbarte Honorar auch der erbrachten Leistung entspreche. Durch das Antikorruptionsgesetz würden aber derzeit viele Vertragsstrukturen zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten hinterfragt, die absolut erforderlich seien, um die starre Sektorengrenze zu überwinden.
Der neue 1. Vizepräsident des BDI, Hans Martin Hoffmeister, nannte ein Beispiel: „Im Rahmen einer sektorenübergreifenden Versorgung macht es häufig Sinn, dass Krankenhäuser in wenig besiedelten Regionen Großgeräte wie einen Herzkathetermessplatz in Kooperation mit einer niedergelassenen Kardiologiepraxis betreiben. Denn ohne eine solche Kooperation wäre das Gerät im Krankenhaus nicht ausgelastet.“ In diesem Bereich gebe es sehr viele Verträge, die jetzt wegen des Antikorruptionsgesetzes häufig auf Eis gelegt würden – zum Nachteil aller Beteiligten.
Bedarfsplanung: BDI fordert Aussetzung der Sollregelung
Zudem kritisierte der BDI, dass Vertragsarztsitze von den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgekauft werden sollen, wenn der Bezirk zu 140 Prozent als überversorgt gilt. „Alle wissen es, auch der Gesetzgeber: Die Bedarfsplanung in der vertragsärztlichen Versorgung verdient ihren Namen nicht“, kritisierte der neue 2. Vizepräsident des BDI, Ivo Grebe. „Die heute verwendeten Zahlen basieren auf dem Ist-Zustand des Jahres 1993 und sind rein zufällig entstanden. Mit medizinischen oder soziologisch begründbaren Daten hat das Ganze nichts zu tun.“ Die Verwirrung werde noch durch eine teilweise unplausible Regionalplanung komplettiert.
Nach Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland wären 12.000 Arztsitze betroffen, wenn tatsächlich alle von der Regelung betroffenen Sitze aufgekauft werden würde. Welche tatsächlich aufgekauft werden, entscheidet allerdings der jeweilige Zulassungsausschuss. Dennoch könne eine rigorose Umsetzung der Regelungen zu zusätzlichen Verwerfungen führen. Der BDI forderte, dass zunächst das Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses über Kriterien für eine sachgerechte Bedarfsplanung abgewartet werden müsse. Bis dahin müsse die Sollregelung ausgesetzt werden.
Der 9. Internistenkongress findet am 16. und 17. September in Berlin statt. © fos/aerzteblatt.de

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