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Medizin

Romosozumab: Antikörperbehandlung senkt Knochenbruchrate mit seltenen Risiken

Montag, 19. September 2016

dpa

West Haverstraw – Eine einjährige Behandlung mit Romosozumab, das den Knochen­aufbau fördert, gefolgt von einer Behandlung mit Denosumab, das den Knochenabbau hemmt, hat in einer randomisierten klinischen Studie im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1607948) bei postmenopausalen Frauen vor allem die Rate von Wirbelbrüchen vermindert. Es kam jedoch vereinzelt zu Kieferne­krosen oder einer atypischen Femurfraktur, die zuletzt die Akzeptanz der Osteo­porosebehandlung mit anderen Medikamenten herabgesetzt haben. Die Ergebnisse der Studie wurden auf einer Fachtagung in Atlanta vorgestellt.

Obwohl die Osteoporose eine häufige Ursache für Knochenbrüche im Alter ist, wird selbst nach einer Fraktur nur ein Viertel aller Patienten behandelt. Die in den 1990er Jahren eingeführten Bisphosphonate, die erste und lange Zeit einzige wirksame medikamentöse Therapie, sind bei vielen Patienten unbeliebt. Die seltene, aber katastrophale Osteonekrose des Kiefers sowie zuletzt die ebenfalls seltene atypische Femurfraktur – hier ist der kausale Zusammenhang mit der Einnahme der Medikamente nicht restlos bewiesen – haben die Popularität nicht gerade gefördert.

Neue Hoffnungen ruhen auf der Einführung von Antikörpern, die gezielter in den Knochenstoffwechsel eingreifen. Vor sechs Jahren wurde als erstes „Biologikum“ Denosumab eingeführt. Der Antikörper bindet den Botenstoff RANK-Ligand, der die Entwicklung der knochenresorbierenden Osteoklasten hemmt. Denosumab hemmt damit den Knochenabbau, was in klinischen Studien die Knochenmasse erhöht hat, weil der Knochenaufbau durch Osteoblasten anhält. Ein weiteres noch nicht zugelassenes Biologikum ist Romosozumab. Der Antikörper bindet an Sklerotin, einem negativen Regulator der Osteoblasten. Romosozumab fördert damit den Knochenaufbau.

Nachdem Romosozumab in einer Phase-II-Studie die Knochendichte besser gesteigert hat als zugelassene Medikamente, wird das Mittel als „potenzieller Durchbruch“ in der Behandlung der Osteoporose betrachtet. Die Fracture Study in Postmenopausal Women with Osteoporosis (FRAME) sollte zeigen, ob diese Erwartungen berechtigt sind. An der Studie beteiligten sich 7.180 Frauen mit Osteoporose (T score –2,5 bis –3,5). Etwa vier von zehn hatten vertebrale (18 Prozent) oder nicht-vertebrale (22 Prozent) Frakturen in der Vorgeschichte.

Die Teilnehmerinnen wurden zunächst auf eine 12-monatige Behandlung mit Romosozumab oder Placebo randomisiert. Danach wurden alle Teilnehmerinnen über 12 Monate mit Denosumab behandelt. Diese Anschlussbehandlung sollte verhindern, dass der Gewinn an Knochendichte rasch wieder verloren ging. 

Dieses Konzept ging auf. Romosozumab steigerte im ersten Jahr die Knochendichte in den Wirbeln um 13,3 Prozentpunkte, in der Hüfte um 6,9 Prozentpunkte um im Oberschenkelhals um 5,9 Prozentpunkte. Im zweiten Jahr wurde dieser Wert nicht nur gehalten, sondern weiter gesteigert. Die Zunahme der Knochendichte ist nach Einschätzung der Editorialisten Clifford Rosen vom Maine Medical Center Research Institute, Scarborough, bemerkenswert. Sie entspricht den Erfahrungen aus der Phase-II-Studie, in der Romosozumab die Wirkung von Bisphosphonaten und dem Parathormon-Analogon Teriparatid in den Schatten stellte.

Die Zunahme der Knochenmasse wirkte sich vor allem auf die Knochenbruchrate in den Wirbeln aus. In der Romosozumab-Gruppe erlitten im ersten Jahr 16 von 3.321 Patientinnen (0,5 Prozent) eine Wirbelfraktur gegenüber 59 von 3.322 (1,8 Prozent) in der Placebo-Gruppe. Erstautorin Felicia Cosman vom Helen Hayes Hospital in West Haverstraw bei New York und Mitarbeiter ermittelten eine Risk Ratio von 0,27, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,16 bis 0,47 hochsignifikant war.

Nach der Anschlussbehandlung mit Denosumab blieben die Unterschiede bestehen, obwohl auch die Teilnehmerinnen im Placebo-Arm mit Denosumab behandelt wurden. Die Frakturraten betrugen 2,5 Prozent (unter Placebo gefolgt von Denosumab) und 0,6 Prozent (unter Romosozumab, gefolgt von Denosumab). Die Risk Ratio beträgt 0,25 (0,16-0,40). Romosozumab senkte das Risiko von vertebralen Frakturen um etwa drei Viertel. Die Häufigkeit vertebraler Frakturen nach 12 und 24 Monaten war der koprimäre Endpunkt der Studie.

Der Einfluss auf die nicht-vertebralen Frakturen war nicht eindeutig. Diese Knochen­brüche traten im Romosozumab-Arm bei 56 von 3.589 Patientinnen (1,6 Prozent) und in der Placebo-Gruppe bei 75 von 3.591 Patientinnen (2,1 Prozent) auf. Die Hazard Ratio betrug 0,75 und war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,53 bis 1,05 nicht signifikant. Cosman führt dies auf die unerwartet geringe Knochenbruchrate vor allem bei Teilnehmerinnen aus Südamerika zurück. Unter Ausschluss dieser Teilnehmerinnen war das Ergebnis signifikant. Dies ist allerdings das Ergebnis einer nachträglichen Subgruppen-Analyse, deren Schlüsse von Zulassungsbehörden in der Regel nicht akzeptiert werden.

Die signifikante Reduktion der vertebralen Frakturen dürfte jedoch für die Zulassung ausreichen, zumal die Verträglichkeit im allgemeinen gut war. Es gab keinen Hinweis, dass Romosozumab zu einer überschießende Knochenbildung (Hyperostosis) führt oder Krebserkrankungen begünstigt – was aufgrund der Stimulation der Knochenbildung durchaus denkbar wäre. Es gab auch keine Probleme an den Gelenken. Die wichtigsten Nebenwirkungen waren Lokalreaktionen am Injektionsort (5,2 Prozent versus 2,9 Prozent im Placebo-Arm) sowie Überempfindlichkeitsreaktionen. Unter Romosozumab kam es zu sieben Fällen mit Dermatitis, allergischer Dermatitis oder einem makulösen Ausschlag, die sich von selbst besserten. Romosozumab wurde danach abgesetzt.

Es kam jedoch zu drei Ereignissen, die typisch für die medikamentöse Behandlung der Osteoporose sind: Zwei Patientinnen entwickelten unter der Behandlung mit Romosozumab eine Osteonekrose des Kiefers. Bei einer Patientin lag eine schlecht sitzende Prothese vor, bei der anderen war ein Zahn gezogen worden. Eine dritte Patientin erlitt eine atypische Femurnekrose. Sie soll bereits vor Beginn der Studie prodromale Symptome gehabt haben, so dass die Zuordnung zur Behandlung mit Romosozumab auf Sicht von Cosman nicht eindeutig ist. Auch bleibt abzuwarten, wie die Einschätzung der Zulassungsbehörden ausfallen wird. Der Hersteller hat im Juli die Zulassung bei der FDA eingereicht. © rme/aerzteblatt.de

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