Politik
Mutterschutz: Korrekturen an Reformpaket angemahnt
Dienstag, 20. September 2016
Berlin – Die geplante Ausweitung des Mutterschutzes wird zum Zankapfel zwischen Arbeitnehmerverbänden und Arbeitgebern. Das machte eine öffentliche Anhörung des Familienausschusses über die Gesetzesvorlage deutlich. Während die Arbeitnehmervertreter trotz Änderungswünschen prinzipielle Zustimmung signalisierten, geht der von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf den Arbeitgebern deutlich zu weit.
Petra Müller-Knöß vom Vorstand der IG Metall und Anja vom Weusthoff vom DGB-Bundesvorstand begrüßten die geplante Gesetzesnovelle ausdrücklich, übten aber auch deutliche Kritik. So lehnten sie zum Beispiel die geplante Regelung ab, dass durch eine freiwillige Einverständniserklärung von schwangeren und stillenden Frauen das geltende Verbot von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit aufgehoben werden kann. Dies sei eine Absenkung des Schutzes für die Frauen, argumentierten die beiden Gwerkschaftsvertreterinnen. Es müsse befürchtet werden, dass die betroffenen Frauen auf Druck der Arbeitgeber und aus Angst um ihren Arbeitsplatz ihre Einwilligung eben nicht freiwillig erteilen würden.
Kritisch beurteilte Müller-Knöß zudem die Unterteilung in „unverantwortbare“ und „verantwortbare Gefährdungen“ von Schwangeren und Stillenden am Arbeitsplatz im Gesetzestext. Das Mutterschutzgesetz sei eines der wichtigsten Bestandteile des Arbeitsschutzrechtes. Das Arbeitsschutzgesetz kenne eine solche Differenzierung aber nicht, die Begriffe müssten deshalb gestrichen werden, argumentierte die Vertreterin der IG Metall.
„An das Thema hat sich die Politik lange Zeit nicht herangetraut“
Köln – Das bisherige Mutterschutzrecht ist nicht mehr zeitgemäß. Mit einem Gesetzentwurf, den das Bundesfamilienministerium vorgelegt hat, soll sich das ändern. Vor allem soll die Rechtslage klarer werden. Konkret heißt das: Alle Regelungen zum Mutterschutz werden in einem Gesetz vereint.
Elke Roos, Richterin am Bundessozialgericht, mahnte an, dass der Begriff „unverantwortbare Gefährung“, um die Grenze für ein Beschäftigungsverbot zu markieren, zu „vage“ definiert sei. Nach Ansicht von Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, ist der Begriff zwar prinzipiell geeignet, um dem erhöhten Schutzanliegen im Mutterschutz Rechnung zu tragen, allerdings müsse er zum Beispiel untergesetzlich in einer Verordnung konkretisiert werden.
Kerstin Plack von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kritisierte hingegen, dass der Gesetzentwurf für Betriebe zu zusätzlichen bürokratischen und finanziellen Belastungen führe, Rechtsunsicherheit schaffe und beschäftigungshemmend wirke. Zudem gehe er weit über die europäische Mutterschutzrichtlinie hinaus. Ein wirksamer Mutterschutz sei auch den Unternehmen ein wichtiges Anliegen, sagte Plack. Allerdings müsse Mutterschutz auch für alle Betriebsgrößen verhältnismäßig sein. Deshalb sei die Regelung, nach der Betriebe eine Gefährdungsbeurteilung für jede Tätigkeit vornehmen müssen, unabhängig davon, ob diese von einer Frau oder einem Mann, ausgeübt werde, abzulehnen.
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Marianne Weg vom Deutschen Juristinnenbund kritisierte, dass der Gesetzentwurf dem Problem von psychischen Belastungen von Schwangeren nicht gerecht werde und weit hinter wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem gesellschaftlichen Konsens zurückbleibe. Psychische Belastungen müssten naturwissenschaftlich-technischen Gefährdungen gleichgestellt werden, forderte Weg.
Katrin van Riesen von der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen lobte, dass mit der Gesetzesnovelle zukünftig auch Studentinnen, Schülerinnen und Praktikantinnen unter den gesetzlichen Mutterschutz fallen sollen. Zugleich monierte sie, dass Studentinnen jedoch auch weiterhin vom Mutterschaftsgeld ausgeschlossen würden. Zudem würden Bafög-Empfängerinnen im Fall einer Schwangerschaft nur für die Dauer von drei Monaten gefördert. Es sei deshalb eine Ausweitung der Bafög-Förderung und eine Erhöhung des Mutterschaftsgeldes für geringfügig Beschäftigte anzustreben.
Vertreter der Ärztinnen waren nicht zur Öffentlichen Anhörung im Familienausschuss geladen. Sie hatten sich bereits im Vorfeld zum Referentenentwurf geäußert und Korrekturen angemahnt. Unter anderem hatte Astrid Bühren, Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt bereits im April gefordert, dass Medizinstudentinnen einbezogen werden müssen. Dies war zwar in der ursprünglich von Ministerin Schwesig vorgesehenen Fassung geplant, wurde zwischenzeitlich jedoch aus dem Referentenentwurf gestrichen. In der Kabinettsfassung sind die Studentinnen wieder einbezogen.
Eine Stellungnahme zum Referentenentwurf hatten im April neben dem DÄB, zum Beispiel auch der Marburger Bund, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin abgegeben.
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