Politik
Stiftung des Rhön-Gründers Münch greift G-BA-Strukturen an
Dienstag, 20. September 2016
Berlin – Frontalangriff auf die Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): In einer heute vorgestellten Studie der privaten Stiftung Münch haben beauftragte Gutachter die Art der Entscheidungsfindung und die starke Abbildung von Partikularinteressen wie denen von Krankenkassen, Ärzten, Krankenhäusern sowie Patienten kritisiert. Nach ihrer Ansicht müssten die Entscheidungen des G-BA stärker am Gemeinwohl orientiert sein.
„Kritisch bewerten wir auch, dass nicht alle Interessen im G-BA vertreten sind und damit oftmals politisch motivierte Kompromisse geschlossen werden“, erklärte Justus Haucap, Autor der Studie im Auftrag der Stiftung. Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Institutes für Wettbewerbsökonomie und war zwischen 2008 und 2012 Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung. Für die Stiftung, hinter der der Rhön-Konzern-Gründer Eugen Münch steht, hat er die Arbeitsweise des G-BA analysiert.
Dabei sollte die Studie nach Aussage der Autoren und der Stiftung untersuchen, „inwieweit Struktur und Arbeitsweise des G-BA grundsätzlich geeignet sind, zu einer innovationsoffenen und Effizienz-steigernden Weiterentwicklung“ der Versorgung in der GKV beizutragen. Als Fazit bemängeln die Autoren, dass es zu wenig Gemeinwohlorientierung des G-BA gebe, da das Risiko bestehe, dass gegen Gruppen, die nicht im G-BA vertreten seien, „Allianzen geschmiedet“ und diese somit benachteiligt würden. „Es ist möglich, dass hier Partikularinteressen über das Gemeinwohl gestellt werden“, erklärte Haucap.
Ebenso bezweifelt die Studie die Innovationsoffenheit des G-BA. „Innovationen, die Besitzstände der im G-BA vertretenen Gruppen gefährden, können nur schwerlich mit einem Markteintritt rechnen.“ Auch kritisierten die Autoren, dass im Bereich der Arzneimittel bei rund 30 Prozent der Entscheidungen des G-BA von den Empfehlungen des zuständigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) abgewichen werde.
Auf Nachfrage, dass sich im Untersuchungsdesign von Studien des IQWiG der Patientennutzen nicht wiederspiegelt und sich daher oftmals auch abweichende Voten erklären, hieß es, dass es der Studie nicht um Einzelfälle ginge. Es gehe um die systematische Abschätzungen von möglichen Interessenkonflikten und Anreizen und die Probleme, die sich daraus ergeben, so Haucap. Es solle künftig daran gearbeitet werden, wie es mittel- und langfristig Verbesserungsmöglichkeiten bei der Entscheidungsfindung gebe.
Um weitergehende Vorschläge präsentieren zu können, will die Stiftung nun in den kommenden Monaten eine Reformkommission einrichten, die Lösungsvorschläge erarbeiten soll. Zu dieser Reformkommission – die sich nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes im November zum ersten Mal trifft – gehörten auch Stephan Hartmann, Inhaber des Lehrstuhls für Wissenschaftstheorie und Co-Direktor des Munich Center for Mathematical Philosophy, sowie Ferdinand Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Uni Augsburg.
Nach Angaben des Vorsitzenden der Stiftung Münch, Stephan Holzinger, habe man seitens der Stiftung den G-BA in die Reformüberlegungen einbeziehen wollen, aber keine Antwort erhalten. Das Gesprächsangebot stehe aber noch, so Holzinger bei der Vorstellung der Studie.
Auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes beim G-BA stellt sich die Situation für Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender, allerdings anders dar: In einem Schreiben von Anfang August habe Holzinger Hecken zwar mitgeteilt, dass die Stiftung sich mit den Strukturen im G-BA beschäftigt habe. „In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin, dass mit einer ,baldigen Vorstellung einer Studie über die Reformpotenziale des G-BA‘ zu rechnen sei und in einem persönlichen und vertraulichen Gespräch unter vier Augen gerne über weitere Schritte informiert werde“, erklärte Hecken auf Anfrage. „Von der Einrichtung einer Reformkommission ist in diesem Schreiben hingegen nicht die Rede, insofern konnte sich der G-BA hierzu auch noch nicht verhalten.“
Eine inhaltliche Bewertung der Studie will Hecken nicht vornehmen. „Das ist ein weiterer Beitrag zu der mittlerweile umfänglichen Literatur zu den gesetzlich festgelegten Strukturen, Aufgaben und Entscheidungsprozessen des G-BA und wird insoweit wie viele andere Gutachten, Denkschriften und Aufsätze zu diesem Fragenkreis vom G-BA nicht bewertet“, so Hecken.
Allerdings zeigte er sich befremdet darüber, dass auch die Studienautoren um Haucap und sein Düsseldorfer Institut nicht das Gespräch mit dem G-BA-Vorsitzenden bei Erstellung der Studie gesucht haben. „Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht guter wissenschaftlicher Praxis entsprochen hätte, vor der Erarbeitung des Gutachtens zumindest auch einmal mit dem G-BA zu sprechen“, erklärte Hecken. © bee/aerzteblatt.de

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