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Politik

Hecken fordert sektoren­übergreifende Bedarfsplanung

Dienstag, 20. September 2016

dpa

Berlin – Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, hat eine verpflichtende Abstimmung der ambulanten Bedarfsplanung mit der Krankenhausplanung der Bundesländer gefordert.

Da die Ressourcen im deutschen Gesundheitswesen knapp seien, müssten sich alle be­teiligten Akteure den realen Um­stän­den stellen und Doppelbelastungen des Systems ver­meiden, betonte Hecken gestern auf dem Forum „Abseits vom Mittelwert – Welche Zukunft hat die medizinische Versorgung in den Regionen“ des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) in Berlin. Es sei durchaus sinnvoll, bei der Kranken­haus­planung die regionalen Strukturen im niedergelassenen Bereich zu berücksichtigen und andersherum. Der Rahmen dafür müsse dabei auf Bundesebene vorgegeben werden, so Hecken. Regionale Abweichungen seien allerdings möglich.

Wenn der stationäre Bereich nicht als „monolithischer Block mit Ewigkeitsgarantie“ be­trachtet werde, werde die Vertragsärzteschaft für eine sektorenübergreifende Bedarfs­planung die nötige Flexibilität beweisen, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, Heckens Forderung.

Gassen will direkten Patientenzugang zum Krankenhaus beenden
Zuvor hatte Gassen kritisiert, dass viele Krankenhäuser die Notfallaufnahme dazu nutz­ten, um Patienten zu akquirieren: „50 Prozent der Patienten kommen auf diese Weise heu­te ohne vertragsärztliche Überweisung in ein Krankenhaus.“ Der Geschäftsführer des IGES-Instituts, Martin Albrecht, sprach von Kliniken, die heute mehr ambulante Not­fälle als vollstationäre Fälle behandelten.

Eine erhebliche Zahl von Notfällen, die heute im Krankenhaus behandelt würden, müssten eigentlich von Vertragsärzten versorgt werden, betonte Gassen: „Wir sind weit davon entfernt, das Prinzip ambulant vor stationär zu verwirklichen und ehrlich zu leben.“ Daher forderte er, dass künftig im Erdgeschoss eines Krankenhauses ein Zentrum einer Kassenärztlichen Vereinigung eingerichtet sein müsse. Dort würden alle Patienten, die nicht mit dem Rettungswagen gebracht werden, empfangen und dort werde entschieden, wer wann und wo behandelt werde. „Hier findet die Triage statt“, sagte Gassen. „Ein di­rek­ter Zugang zum Krankenhaus ist dann nicht mehr möglich.“

Wille: Bedarfsplanung müsste nach der Arbeitszeit berechnet werden
„In Deutschland gibt es ein beachtlich hohes ambulantes Potenzial, das noch nicht ge­nutzt wird“, meinte der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Be­gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Eberhard Wille. Hinzu komme das am­bulante Potenzial, das in der Zukunft noch entstehen werde, wenn zum Beispiel die Zahl derjenigen älteren Menschen steige, deren Konstitution so gut sei, dass Eingriffe bei ihnen ambulant vorgenommen werden könnten, die früher stationär hätten vorge­nommen werden müssen.

Zudem kritisierte Wille die heutige ambulante Bedarfsplanung: „Heute planen wir nach Köpfen“, sagte er. „Wir müssten aber eigentlich nach Stunden planen, denn angestellte Ärzte arbeiten deutlich weniger als niedergelassene. Und dann könnte sich heraus­stel­len, dass Bereiche, die heute als überversorgt gelten, tatsächlich gar nicht über­versorgt sind.“ Deshalb gebe es Bereiche, die als überversorgt gelten, in denen Patienten die Warte­zeit auf einen Arzttermin jedoch als zu lang empfänden. Ähnliche Effekte gebe es darüber hinaus auch bei der Nachfrage. So könne bei einer gleich­bleibend hohen Mor­bi­di­tät die Nachfrage durch die Patienten ansteigen, weil ihre Sensibilisierung gestiegen sei.

„Das ist ein ganz, ganz dickes Brett“
Wie Hecken sprach sich auch Martin Albrecht vom IGES-Institut dafür aus, den ambu­lan­ten und den stationären Bereich zusammen zu beplanen. „Wenn man das vom grünen Tisch her planen würde, müsste man zunächst den Behandlungsbedarf anhand der Mor­bi­dität und der ärztlichen Leistungen definieren“, sagte er. „Und dann müsste man sekto­renübergreifend planen.“ Ihm sei jedoch kein System bekannt, das das leisten könne. „Es klingt zwar sehr gut, aber das ist ein ganz, ganz dickes Brett“, sagte Albrecht.

Wesentlich sei in jedem Fall das Verhältnis von zentraler und dezentraler Planung. Es ge­be eine ganze Reihe von Faktoren, wie die Erreichbarkeit der Ärzte, die die Akteure vor Ort am besten beurteilen könnten. „Wenn man das alles in die Bedarfs­planungs­richt­linie hineinpacken würde, würde sie schnell überfrachtet“, meinte Albrecht.

Versorgung in Deutschland ist sehr heterogen
Wille betonte, wie heterogen die gesundheitliche Versorgung in Deutschland organisiert sei. So sei die Ärztedichte regional sehr unterschiedlich und schwanke um das 4,5-Fa­che. Als weiteres Beispiel nannte er die Zahl der Belegärzte. In Bayern arbeiteten 34 Pro­zent der Ärzte als Belegärzte, in Bremen kein einziger.

Als einen Grund für die Heterogenität der Versorgungslandschaft nannte der Vorsitzende des ZI, Dominik Graf von Stillfried, die unterschiedlichen Bevölkerungs­strukturen in den Re­gionen. Denn manche Regionen würden derzeit stark wachsen, andere stark schrum­pfen. Zudem gebe es erhebliche regionale Unterschiede in der Arbeitsbelastung der Ärzte, ausgehend unter anderem von der Arztdichte der jeweiligen Regionen.

Von Stillfried forderte, dass je nach Versorgungsregion unterschiedliche regionale Ver­sor­gungsziele definiert werden müssten, die auf dem Versorgungsniveau aufsetzten, das es in den einzelnen Regionen gebe. Dabei dürfe man sich nicht an einem Mittelwert orien­tie­ren. „Die regionalen Unterschiede werden an Bedeutung gewinnen. Die Be­völ­ke­rungsdynamik wird zunehmen“, betonte von Stillfried. So sei aufgrund der Struktur­verän­de­rung ein zusätzlicher Bedarf an Hausärzten zu erkennen. Zum Beispiel für Gynäko­lo­gen sehe die Situation hingegen anders aus: In Regionen mit abnehmenden Bevölke­rungszahlen werde in dieser Fachrichtung auch der Bedarf deutlich abnehmen. © fos/aerzteblatt.de

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