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Medizin

Neurologen warnen vor Falschdiagnosen und Übertherapie der Neuroborreliose

Freitag, 23. September 2016

Mannheim – Vor einer unzureichenden Diagnostik und einer falschen Therapie der durch Zecken übertragenen Erkrankung Neuroborreliose warnt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie. „Viele Patienten, die wegen einer vermeintlichen chronischen Borreliose zum Teil über Monate hinweg Antibiotika bekommen, sind gar nicht daran erkrankt“, sagte der Neuroinfektiologe Sebastian Rauer vom Universitätsklinikum Freiburg auf der Jahrestagung der Fachgesellschaft in Mannheim.

Interview mit Sebastian Rauer: Neuroborreliose erkennen und sicher behandeln. /youtube, DGN

Die Lyme‐Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit in Europa. Schätzungen zufolge infizieren sich in Deutschland jedes Jahr zwischen 60.000 und mehr als 200.000 Menschen mit den spiralförmigen Bakterien. In 80 bis 90 Prozent der Fälle zeigt sich die Erkrankung an der Haut.

Laut Rauer ist die vermeintliche chronische Borreliose aber eine umstrittene Krankheit. Viele Patienten und auch eine Reihe von Ärzten machten eine nicht erkannte oder unzureichend behandelte Infektion mit Borrelien für die unterschiedlichsten Beschwer­den verantwortlich. Von Zecken übertragene Erreger sollen noch Jahre nach dem Zeckenstich bei den Patienten zu Erschöpfung führen, hinter Konzentrationsstörungen und Gedächtnisproblemen stecken, auf die Stimmung drücken, Kopfschmerzen, wandernde Gelenk‐ oder Muskelschmerzen und viele weitere schwer fassbare Beschwerden auslösen.

Die vermeintliche chronische Borreliose werde aber oft mit Labortests abgesichert, die nicht ausreichend geprüft seien, so Rauer. „Der Lymphozyten‐Transformationstest (LTT) kann zum Beispiel auch anschlagen, wenn Patienten nie mit dem Erreger Kontakt hatten. Obwohl im Blut der Betroffenen keine Antikörper gegen Borrelien nachzuweisen sind, bescheinigt dieser Test manchen Patienten eine chronische Krankheit“, so der leitende Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik Freiburg. Rauer ist auch Mitbegründer und Mitinhaber der Firma Ravo‐Diagnostika in Freiburg.

Der Experte für Neuroinfektiologie betonte in Mannheim, dass die Infektion mit einer zwei‐ bis dreiwöchigen Antibiotikatherapie laut Studienlage in den meisten Fällen folgenlos ausheilt. „Wir haben keine Anhaltspunkte, dass eine längere Therapie oder eine Kombination von Antibiotika einen Vorteil bringt“, sagte auch Ralf Gold, Präsident der DGN.

Von einer Langzeittherapie mit Antibiotika raten die Neurologen ausdrücklich ab. „Die Übertherapie setzt die Patienten einem unnötigen Risiko aus. Wenn die Antibiotika nach zwei bis drei Wochen nicht anschlagen, bringen auch weitere Wochen oder gar Monate nichts“, ergänzt Rauer. Das sei eher ein Hinweis, dass keine Neuroborreliose, sondern etwas anderes hinter den Beschwerden stecke, so der Neuroinfektiologe. © hil/aerzteblatt.de

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