Medizin
Antidepressiva könnten immunmodulierend wirken
Dienstag, 27. September 2016
Würzburg – Einen neuen Wirkmechanismus von Antidepressiva haben Forscher des Instituts für Virologie und Immunbiologie an der Uni Würzburg im Mausmodell entdeckt. Möglicherweise könnten Substanzen wie Amitriptylin künftig auch für die Therapie entzündlicher und autoimmuner Erkrankungen in Betracht gezogen werden, berichten Jürgen Schneider-Schaulies und Niklas Beyersdorf im Journal of Immunology (2016; doi: 10.4049/jimmunol.1600691).
Ihre Arbeit konzentrierte sich auf Lipidbausteine von Nervenzellmembranen, sogenannte Sphingolipide, zu denen auch Ceramide gehören. Der Metabolismus der Sphingolipide wird durch eine Reihe von Enzymen reguliert, die sehr schnell auf äußere und innere Reize reagieren können und die Membranzusammensetzung an die Bedürfnisse der Zellen anpassen. Defekte in diesen Enzymen können zu Erkrankungen führen, wie etwa ein Defekt der sauren Sphingomyelinase (ASM) zur Niemann-Pick-Krankheit, bei der sich Sphingomyelin in Lysosomen von Zellen der Leber, Milz, Knochenmark und Gehirn ablagert.
Schneider-Schaulies und Beyersdorf untersuchten im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe FOR2123 am Institut für Virologie und Immunbiologie in Würzburg an einem Infektionsmodell des zentralen Nervensystems mit Masernviren in der Maus, ob das Fehlen der ASM den Infektionsverlauf ändert.
Tatsächlich fanden sie sehr viel mehr infizierte Nervenzellen im Gehirn der ASM-defizienten Tiere. „Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl eine genetische Defizienz, wie auch eine pharmakologische Hemmung der ASM mit einem Antidepressivum wie Amitriptylin die Frequenz und Aktivität regulatorischer T-Zellen erhöht, beziehungsweise die Zahl konventioneller T-Zellen erniedrigt und dadurch das Verhältnis regulatorischer zu konventionellen T-Zellen erhöht“, erklärte Schneider-Schaulies.
Regulatorische T-Zellen sind bekanntlich für eine Begrenzung und Beendigung der zellulären Immunreaktion entscheidend. Generell ist die Balance zwischen den verschiedenen T-Zell-Populationen ein wichtiger Faktor für ein funktionierendes Immunsystem. Abwesenheit regulatorischer T-Zellen führt zu Autoimmunerkrankungen, wogegen zu viele regulatorische T-Zellen eine effiziente Immunreaktion gegen Infektionen verhindern. „Die Hemmung der ASM hat also eine moderate Hemmung der Immunantwort zur Folge“, so Schneider-Schaulies.
Allerdings beziehen sich die Ergebnisse bislang nur auf das Mausmodell. „Ob die Immunreaktion in Menschen ähnlich auf solche Inhibitoren reagiert, muss erst noch untersucht werden“, berichten die Forscher. © hil/aerzteblatt.de

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