Medizin
Anhaltender Schmerz nach Gelenk-OPs ein häufiges Problem
Dienstag, 27. September 2016
Dubrovnik – Als „stark unterschätztes Phänomen“ bezeichnete Henrik Kehlet von der Universität Kopenhagen, Dänemark, chronische Schmerzen nach einer Gelenkoperation. So könnten etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten nach dem Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks darunter leiden, berichtete er bei einem Symposium der europäischen Schmerzföderation EFIC Ende September in Dubrovnik.
Laut den Daten einer systematischen Meta-Analyse im British Medical Journal Open von 17 Kohortenstudien liegt die Schmerzprävalenz nach Hüftprothesen-Eingriffen bei neun und beim künstlichen Knieersatz bei 20 Prozent (2012; doi: 10.1136/bmjopen-2011-000435).
Diese Zahlen von 2012 könnten allerdings zu niedrig sein: „Die aktuellen Instrumente zur Schmerzbewertung liefern uns nicht immer aussagekräftige Informationen. Außerdem zeigen Studien, dass manche Betroffene nach dem Eingriff ungern zugeben, wie sehr sie leiden – weil sie nicht undankbar erscheinen wollen oder der Schmerz nach der OP vielleicht etwas weniger intensiv ist als vorher“, berichtete Vikki Wylde von der Universität Bristol, Großbritannien, auf dem Kongress.
Wichtig dabei sei: Die Patienten litten nicht unter den alten Beschwerden oder dem unmittelbaren postoperativen Schmerz, der nach der Wundheilung verschwinde, sondern unter neuen Beschwerden. „20 Prozent der chronischen Schmerzen nach dem Einsetzen eines künstlichen Gelenksersatzes sind neuropathischer Natur“, so Wylde.
Kehlet empfiehlt ein multimodales Therapiekonzept gegen die Schmerzen: Bei einer Hüftersatz-OP ließen sich heute die postoperativen Schmerzen durch ein Präparat relativ gut in den Griff bekommen, das Analgetika wie Paracetamol, COX-2-Hemmer, Kortikoide oder bei Bedarf Opioide beinhalte.
Beim Knieersatz stellten die Schmerzen wegen der größeren Empfindlichkeit des Gelenks eine noch größere Herausforderung dar. „Derzeit arbeiten wir mit Coxiben, NSAR, hochdosierten präoperativen Kortikoiden oder Wundinfiltrationen mit Lokalanästhetika. Andere Ansätze verwenden Ketamin bei Patienten, die schon präoperativ Opioide bekommen haben“, so Kehlet. Von Femoralis-Nervenblockaden rät er wegen der Sturzgefahr für Patienten ab.
Wylde kritisierte das Fehlen evidenzbasierter Behandlungsmethoden. Eine systematische Auswertung von randomisierten Therapie-Studien aus dem vergangenen Jahr konnte nur eine Studie identifizieren, die Injektionen von Botulinumtoxin A bei Patienten mit chronischem Schmerz nach Kniegelenkersatz untersuchte (2015; doi: 10.1136/bmjopen-2014-007387). „Wir benötigen in diesem Bereich weitere Untersuchungen, um die Patientenversorgung verbessern zu können“, sagte sie.
„Auch wenn das Verständnis für die Ursachen und Prozesse hinter den Schmerzen steigt und immer schonender operiert werden kann, ist die Patientenversorgung immer noch sehr verbesserungswürdig“, so Kehlets Fazit. © hil/aerzteblatt.de

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