Medizin
„Print on Demand“: Künstlicher Knochen aus dem 3D-Drucker
Freitag, 30. September 2016
Chicago – Der Knochenersatz der Zukunft könnte aus dem 3D-Drucker kommen. US-Ingenieure haben ein elastisches Ersatzmaterial entwickelt, das sich während der Operation modellieren lässt. In ersten tierexperimentellen Studien in Science Translational Medicine (2016; 8: 358ra127) wurde der Ersatzknochen vom Körper akzeptiert und allmählich in den echten Knochen integriert.
Knochenersatz ist eine komplizierte Angelegenheit. In der Regel versuchen Orthopäden Defekte, die sich nach Traumata oder bei Krebsoperationen ergeben können, durch ein „Autograft" zu ersetzen, also durch Knochen, den sie dem Patienten aus anderen Stellen des Skeletts entnehmen. So kann ein Unterkiefer beispielsweise aus einem Beckenkamm geformt werden.
Die Ergebnisse sind aber nicht immer funktionell und kosmetisch befriedigend. In anderen Fällen, etwa bei Defekten in einem langen Röhrenknochen, kann es ausreichen, Knochenspäne zu einem neuen Knochen heranwachsen zu lassen. Diese Behandlung ist jedoch sehr langwierig. Alle Versuche, den Knochen, etwa durch Keramiken zu ersetzen, sind bisher daran gescheitert, dass das Ersatzmaterial sehr spröde ist, während der Operation nicht bearbeitet werden kann und sich nur schwer mit dem natürlichen Knochen verbinden lässt.
Der „hyperelastische Knochen“ (HB), den Materialforscher der Northwestern Universität in Chicago entwickelt haben, besteht zu 90 Prozent aus Hydroxylapatit, das im natürlichen Knochen die Grundlage der Hartsubstanz bildet. Die restlichen 10 Prozent sind Polycaprolacton, ein biologisch abbaubarer Kunststoff. Hinzu kommt ein Lösungsmittel, das allerdings nach dem Drucken im 3D-Drucker verdunstet.
Das HB-Material lässt sich in einem handelsüblichen 3D-Drucker in jede beliebige Form bringen, am besten als ein mit Luftkammern versehenes Netzwerk. Bei einer Druckgeschwindigkeit von bis zu 275 cm3 pro Stunde könnte so am Tag der Operation ein passendes Implantat hergestellt werden. Dabei hat das HB-Material Eigenschaften, die die meisten Operateure erfreuen dürfte. Es ist nicht nur formbar. Das HB-Material kann mit einem Messer geschnitten und mit Nadeln durchstochen werden. Auf diese Weise könnten die Orthopäden es auch bei minimal invasiven Eingriffen einsetzen und problemlos mit dem benachbarten Gewebe verbinden.
Das Team um Ramille Shah von der Northwestern Universität hat das neue Material an Mäusen auf ihre Biokompatibilität hin überprüft. Das HB-Material löste nach subkutaner Implantation keine Immunreaktion aus und schon nach 35 Tagen war es fest mit der Umgebung verwachsen. Die Zwischenräume des porösen Gewebes wurden von Blutgefäßen durchdrungen und mit Zellen gefüllt, so dass sich nach dem Auflösen des Kunststoffs unter Integration von Hydroxylapatit ein körpereigener Knochen bilden kann.
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Das nächste Experiment war eine spinale Fusionsoperation. Die Querfortsätze zweier Lumbalwirbel wurden über ein HB-Implantat miteinander verbunden. Nach vier Wochen war eine Knochenbrücke erkennbar, die nach acht Wochen über eine ausreichende Stabilität verfügte. Zum Abschluss haben die Forscher einen 4x4 cm großen Defekt in der Schädelkalotte eines Rhesusaffen mit einem HB-Implantat verschlossen. Schon nach vier Wochen hatte sich das HB-Implantat mit dem umgebenden Knochen verbunden. Auch hier gab es keine Hinweise auf Abwehrreaktionen.
Die Forscher wollen zunächst weitere Experimente an Versuchstieren durchführen. Klinische Studien sind vorerst noch nicht geplant. © rme/aerzteblatt.de

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