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Tagesmüdigkeit: EEG-Algorithmus hilft bei der Diagnose
Freitag, 30. September 2016
Leipzig – Ein neuer EEG-Algorithmus hilft zu erkennen, ob ein müder Patient schläfrig oder übererregt ist. Über Tagesmüdigkeit berichten Patienten mit psychischen Störungen wie Depression, Angst und Schlafstörungen als auch jene mit diversen nicht-psychiatrischen Erkrankungen. Neurophysiologen des Universitätsklinikums Leipzig haben eine Methode entwickelt, die dazu beitragen soll, zu erkennen, ob die Erschöpfung bei einem Patienten mit einem zu niedrigem oder einem zu hohen zentralnervösen Erregungsniveau einhergeht. Beim Vigilanz Algorithmus Leipzig (VIGALL) handelt es sich um ein Add-In für BrainVision Analyzer 2.1.
Depressive Patienten leiden häufig unter schwerer Erschöpfung und gleichzeitig unter Einschlafproblemen, nächtlichen Wachphasen und frühmorgendlichem Aufwachen. „Untersuchungen mit VIGALL an Patienten mit typischer Depression weisen darauf hin, dass eine konstant hohe Aktivität des zentralen Nervensystems vorliegt, die auch in Ruhe und geschlossenen Augen kaum zurückgeht“, erklärt Ulrich Hegerl vom Uniklinikum Leipzig. Damit im Einklang sei, dass sich die Betroffenen trotz großer Erschöpfung häufig ruhelos und angespannt, wie vor einer Prüfung, fühlten, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN).
Vom aktiven Wachzustand über entspannte Ruhe und Dösigkeit bis zum Schlaf zeigt das zentrale Nervensystem unterschiedliche Aktivitätszustände, sogenannte Arousalniveaus. Die Regulation dieses Arousals ist überlebenswichtig. „Im Straßenverkehr oder bei Gefahr muss das Gehirn schneller reagieren und das Arousal hoch gehalten werden, anders in der Hängematte“, erklärt Hegerl.
Durch bestimmtes Verhalten kann der Organismus das Arousal auch selbst regulieren. Ein gutes Beispiel dafür sind übermüdete Kinder. Hier ist der Organismus eigentlich schläfrig, das Arousal neigt also zum Abfallen. Dieser Einschlaftendenz wird aber durch Aufgedrehtheit, Hyperaktivität und Schaffung einer reizintensiven Umwelt entgegengesteuert.
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Obwohl die Regulation des Arousals von fundamentaler Bedeutung für menschliches Verhalten ist, gab es bisher kein praktikables und ausreichend validiertes Verfahren, um die Arousalregulation im Wachzustand zu bestimmen. Mit dem VIGALL 2.1 legt nun die Leipziger Arbeitsgruppe eine überarbeitete Version des Vigilanz Algorithmus Leipzig vor, der Abschnitten aus einem Elektro-Enzephalogramm (EEG) jeweils eines von sieben Arousalstadien zuordnet. Im Rahmen eines 15-minütigen Ruhe-EEGs mit geschlossenen Augen in halb liegender Position können Verlauf und Regulation des Arousals bestimmt werden.
„VIGALL 2.1 könnte bei der Diagnostik psychischer Erkrankungen und der Wahl der richtigen Therapie helfen“, so Hegerl. An Patienten mit unipolarer oder bipolarer (manischer) Depression und ADHS wurde das Verfahren bereits getestet. So ist das Arousal bei Menschen mit unipolarer Depression hochreguliert – das Nervensystem bleibt trotz der ruhigen Umgebung hochaktiv. Patienten mit Manie und ADHS haben dagegen Schwierigkeiten, ihr Arousal aufrechtzuerhalten (siehe Abbildung). Die Software VIGALL 2.1 stellen die Leipziger Wissenschaftler kostenlos zur Verfügung.
Vom VIGALL 2.1 erhoffen sich Experten der DGKN damit gleichzeitig, den Zusammenhang zwischen gestörter Wachheitsregulation am Tag und psychischen Erkrankungen wie Depression, Manie und ADHS besser zu verstehen. © gie/idw/aerzteblatt.de

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