Medizin
Tattoos – Stiche mit Folgen
Donnerstag, 6. Oktober 2016
Köln – Tattoos liegen im Trend. Wer sich damit schmücken möchte, sollte weitestgehend sicher sein können, vor bakteriellen Infektionen oder allergischen Reaktionen geschützt zu sein. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigen Sascha Al-Dahouk und Koautoren in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (2016; 113: 665–71).
Anhand einer systematischen Literaturrecherche konnten die Autoren 67 Fälle bakteriell bedingter Komplikationen nach Tätowierungen in den Jahren 1984 bis 2015 identifizieren. Beschrieben wurden lokale Hautinfektionen, Abszesse, nekrotisierende Fasziitis und schwerwiegende systemische Infektionen wie Endokarditis oder septischer Schock. Studien zeigen, dass sowohl geöffnete als auch noch verschlossene Tätowierfarben klinisch signifikante Mengen bakterieller Krankheitserreger enthalten können. In einer von den Autoren durchgeführten Stichprobe waren zwei von 39 Tätowierfarben mit Bakterien kontaminiert. Eine unzureichende Hygiene in den Tätowierstudios gilt als häufigste Ursache für bakterielle Infektionen.
In der gleichen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes berichten Sven Jungmann und Koautoren in einer Einzelfalldarstellung von der schweren anaphylaktischen Reaktion bei einem Mann, der sich kurz zuvor am Unterarm hatte tätowieren lassen (2016; 113: 672–75).
Allerdings fehlen immer noch aussagekräftige epidemiologische Studien zu gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit Tattoos. In Anbetracht der großen Zahl tätowierter Menschen sei dies ein unhaltbarer Zustand, kritisiert Wolfgang Bäumler in einem begleitenden Editorial (2016; 113: 663–4). Er plädiert für strengere Vorschriften zur Einhaltung von Hygienemaßnahmen und zur Vermeidung von toxischen und karzinogenen Stoffen in Tätowierungsfarben. © TG/aerzteblatt.de

zur Frage der aussagekräftigen epidemiologischen Studien
67 Fälle von bakteriellen Infektionen fanden die Autoren in 29 Jahren. Sind wir auf der Suche nach dem Splitter und sehen den Balken im eigenen Auge nicht?
Wenn ich meine Patienten - ohne sie gezählt zu haben - betrachte, hat etwa jeder zehnte ein Tattoo. In mancher Gruppen wie Motorradfahrer oder Bauarbeiter ist es jeder zweite. Bei den Jugendlichen nimmt die Zahl deutlich zu. Viele Tätowierte sind mehrfach tätowiert, teilweise bis zu einem 100%igen Ausmaß. Nur eine Minderheit, meist Seeleute und Häftlinge, sind nicht bunt tätowiert, sondern grau, schwarz oder blau, je nachdem, wie das Graphit auf der Haut heraussticht.
Angesichts dieser sehr großen Zahl von "Betroffenen" müßte doch die Zahl der Komplikationen gewaltig sein, wenn Tattoos tatsächlich so gefährlich wären, wie der Artikel suggeriert.
Die Frage an uns Ärzte ist, wer denn z.B. Malignome nach Tattoos gesehen hat. Mir ist bei annähernd 40.000 Patienten in 35 Jahren kein einziger Fall bekannt, wenngleich es sie geben mag. Die nächste Frage geht nach den allergischen Reaktionen und lokalen Überhitzungen nach Tätowierungen. Davon habe ich sehr wenige, weniger jedenfalls als zehn in 35 Jahren gesehen.
Jetzt aber die Gegenprobe.
Etwa auch jeder zehnte Patient wurde unter angeblich sterilen Kautelen operiert. Auf der Suche in meiner Patientendatei sind allein im Jahr 2015 zwanzig Fälle mit sekundär infizierten OP-Wunden und schlecht heilenden Wunden gewesen. In knapp 4 Jahren sind das allein bei den von mir betreuten Patienten mehr Fälle als die 67 Fälle bakterieller Infektion, die hier bundesweit beschrieben werden.
Kann man nicht miteinander vergleichen, weil es sich hier um notwendige medizinische Eingriffe und dort um Lifestyle handelt?
Möglich.
Interessant und gestattet sei aber sicher der Hinweis auf die sehr häufigen Komplikationen beim Entfernen der Tattoos mit Laser oder Skalpell. Ich stelle die rhetorische Frage, wer von uns solche Komplikationen noch nicht gesehen hat.
Und weil die Frage nach meiner Objektivität sicher auftauchen wird, ja, ich bin selbst auch tätowiert. Genau genommen dreimal und jedesmal ohne Komplikation ... und ich mag meine Tattoos.
Also nein, unvoreingenommen bin ich nicht.
Wissenschaftlichnkritisch aber trotzdem.

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