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Ärzteschaft

WHO und Kinderärzte fordern Zuckersteuer auf Softdrinks

Dienstag, 11. Oktober 2016

/dpa

Bad Orb – Zum Schutz der Gesundheit fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) die Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland auf Limonaden und Softdrinks. „Solch eine Abgabe ist unumgänglich. Anders geht es nicht“, sagte Präsident Thomas Fischbach am Montag bei einem Kongress im hessischen Bad Orb. Die Verbraucherschützer von Foodwatch empfehlen bereits, 20 bis 30 Cent pro Liter Süßgetränk zu erheben. Dieser Forderung schließe sich der Verband an, betonte Fischbach. Die Einnahmen – mutmaßlich eine Milliarde Euro – könnten in Schutz­programme gegen Diabetes fließen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte eine Sondersteuer auf zuckrige Getränke zur Bekämpfung des Übergewichts.

Fischbach sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Allein auf Freiwilligkeit und Vernunft zu setzen, fruchtet nicht.“ Die Zahl der Raucher sei auch erst durch Verbote und eine Verteuerung von Zigaretten gesunken. Der Verband kritisiert, dass Bundes­ernährungs­minister Christian Schmidt (CSU) nur auf Verbraucherinformation, Transparenz und Ernährungsbildung setze. „Das Wohl der Nahrungsmittelindustrie ist der Politik offensichtlich wichtiger als die Gesundheit der Kinder“, sagte Fischbach.

Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke erwiderte: „Eine Strafsteuer allein auf Softdrinks ist nicht geeignet, um ein komplexes gesellschaftliches Problem wie Übergewicht zu lösen. Eine solche Steuer macht nicht schlank oder gesund, sondern ist Symbolpolitik.“

Der Kinder- und Jugendärzteverband erklärte, dass bereits andere Länder mit einer Zuckersteuer liebäugeln, sie geplant oder eingeführt haben. In Frankreich gelte seit 2012 eine Zusatzsteuer von sieben Cent pro Liter. Großbritannien wolle 2018 eine Abgabe einführen, um stark gesüßte Getränke für Konsumenten unattraktiv zu machen.

Foodwatch hatte vor Kurzem berichtet, dass mehr als jeder zweite Softdrink in Deutsch­land überzuckert sei. Nach dem Ergebnis einer Studie enthalten 274 von insgesamt 463 untersuchten Produkten (59 Prozent) mehr als fünf Prozent Zucker. In 171 Produkten (37 Prozent) stecken sogar mehr als acht Prozent Zucker, also sechseinhalb Stücke Würfelzucker pro 250 Milliliter. Getränke mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent gelten in Großbritannien als überzuckert.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, 25 Gramm Zucker pro Tag in verar­bei­teten Lebensmitteln nicht zu überschreiten. „Das halte ich für viel. Besser wären zehn bis fünfzehn Gramm“, sagte Fischbach. Die WHO erklärte heute, es sei allen Regie­rungen zu empfehlen, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von mindes­tens 20 Pro­zent zu belegen. Diese könne zu einem spürbaren Rückgang des Zucker­konsums führen. Im Ergebnis würden weniger Menschen an Übergewicht, Fettleibigkeit, Diabetes oder Karies leiden, heißt es.

„Wenn Regierungen Produkte wie zuckerhaltige Getränke stärker besteuern, können sie Leiden reduzieren und Leben retten“, sagte Douglas Bettcher, Direktor der WHO-Abteilung für die Vorbeugung von nichtansteckenden Krankheiten. Zudem könnten sie die Kosten für das Gesundheitswesen verringern und ihm zugleich mehr Geld zur Verfügung stellen.

Die Kinder- und Jugendärzte warnten bei ihrem Kongress mit rund 300 Teilnehmern zum Thema Prävention zudem, dass sich Frauen davor hüten sollten, Alkohol in der Schwangerschaft zu trinken. „Aufklärung tut dringend not. Denn immer noch gilt in der Bevölkerung: Ein paar Schlucke Bier oder Wein können doch nicht schaden. Das ist falsch. Jeder Schluck schadet dem ungeborenen Kind“, sagte Fischbach. Zahlen belegten das: Pro Jahr würden in Deutschland rund 10.000 Kinder mit einem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS) geboren. Damit zähle das Krankheitsbild zu den häufigsten angeborenen Krankheiten.

Die Folgen fallen unterschiedlich aus. Sie reichten von körperlichen Fehlbildungen, Wachstumsstörungen und Herzfehlern bis zu Schädigungen des zentralen Nerven­systems, so der Verband. Das Thema Alkohol in der Schwangerschaft werde im kommenden Jahr eine größere Rolle spielen. Nach Absprache mit der Drogen­beauf­tragten beim Bund, Marlene Mortler, wolle das Bundesgesundheitsministerium das Thema 2017 aufgreifen.

Der Verband zeigte sich besorgt über die hohe Zahl von chronisch kranken Kindern in Deutschland. Nach einer Hochrechnung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin leben in Deutschland zurzeit rund 1,3 Millionen Kinder und Jugend­liche mit chronischen Erkrankungen, zum Beispiel mit Asthma, mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, Seh- oder Hörschäden, Knochen- und Gelenk- oder Haut­erkrankungen. „Über 90 Prozent der chronisch kranken Kinder erreichen heute dank des medizinischen Fortschritts das Erwachsenenalter“, erklärte Fischbach. Sozial schwache Familien bräuchten aber besonders viel Unterstützung. © dpa/aerzteblatt.de

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