Medizin
Lungenkrebs: Pembrolizumab in Erstlinientherapie Chemotherapie überlegen
Montag, 10. Oktober 2016
Baltimore/Philadelphia – Der „Checkpoint-Inhibitor“ Pembrolizumab hat in einer randomisierten Studie erstmals in einer Erstlinientherapie beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) bessere Therapieergebnisse erzielt als eine Chemotherapie. Die Studie wurde auf der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology in Kopenhagen vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1606774) veröffentlicht. Eine weitere Studie in Lancet Oncology (2016; doi: 10.1016/ S1470-2045(16)30498-3) hat bereits die Kombination beider Behandlungsstrategien untersucht.
Die medikamentöse Therapie des NSCLC hat sich in den letzten Jahren verändert. In der Erstlinienbehandlung kommen statt einer konventionellen Chemotherapie immer häufiger Kinasehemmer zum Einsatz. Bei den 15 Prozent der Patienten mit Mutationen im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) stehen Gefitinib, Erlotinib und Afatinib zur Auswahl.
Bei den etwa 5 Prozent der Tumore mit einer genetischen Umlagerung der anaplastischen Lymphomkinase (ALK) und den etwa 1 Prozent mit Umlagerungen in der ROS1-Proto-Onkogen-Rezeptor-Tyrosinkinase (ROS1) kann die Behandlung auch mit Crizotinib erfolgen. Zusammen ist dies jedoch eine Minderheit der Patienten, sodass die platinbasierte Chemotherapie noch immer die häufigste Therapieoption ist.
Dies könnte sich durch die Ergebnisse der KEYNOTE-024-Studie ändern, die den „Checkpoint-Inhibitor“ Pembrolizumab mit einer platinbasierten Chemotherapie verglichen hat. An der Studie nahmen Patienten teil, deren Tumor den Liganden PD L1 exprimieren. Er bindet auf einem Rezeptor der T-Zellen und verhindert, dass das Immunsystem den Tumor attackiert. Diese Strategie der Immunevasion wird von NSCLC häufig benutzt. Bei jedem dritten der gescreenten Patienten zeigte mehr als die Hälfte der Tumorzellen dieses Merkmal. Es zeigt eine mögliche Wirkung von Pembrolizumab an, das mit dem PD-1-Rezeptor auf T-Zellen interagiert und dadurch die Bindung der Liganden verhindert.
Die 305 Patienten der KEYNOTE-024-Studie, alle im Stadium IV des NSCLC, deren Tumore weder EGFR noch ALK exprimieren, erhielten entweder Pembrolizumab (200 mg alle drei Wochen) oder vier bis sechs Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie nach Auswahl der behandelnden Ärzte. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben.
Hier kam es zu einer deutlichen Verlängerung von 6,0 Monaten unter der Chemotherapie auf 10,3 Monate mit der Immuntherapie. Das Team um Julie Brahmer vom Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center in Baltimore ermittelt eine Hazard-Ratio von 0,50, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,37 bis 0,68 signifikant ausfiel. Auch der Anteil der Patienten, die nach sechs Monaten noch am Leben waren, konnte von 72,4 auf 80,2 Prozent gesteigert werden. Die Hazard Ratio von 0,60 (0,41–0,89) war ebenfalls signifikant. Die Ansprechrate war in der Pembrolizumab-Gruppe ebenfalls höher (44,8 versus 27,8 Prozent) und die mittlere Dauer der Remissionen länger. Sie betrug unter der Chemotherapie 6,3 Monate, während in der Pembrolizumab-Gruppe am Ende der Studie noch mehr als die Hälfte der Patienten in Remission war.
Ein weiterer Vorteil ist die bessere Verträglichkeit: Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher traten in der Pembrolizumab-Gruppe nur halb so häufig auf wie unter der Chemotherapie (26,6 versus 53,3 Prozent).
Die relativ gute Verträglichkeit der Immuntherapie führt zu der Frage, ob beide Therapien sinnvoll kombiniert werden könnten. Genau dies wurde in der KEYNOTE-021-Studie untersucht. An der Phase-2-Studie nahmen 123 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIB oder IV) teil, deren Tumore weder EGFR noch ALK exprimieren. Eine Expression von PD L1 wurde dagegen nicht gefordert. Alle Patienten erhielten eine Chemotherapie mit Carboplatin plus Pemetrexed. Die Hälfte wurde zusätzlich mit
Pembrolizumab behandelt.
zum Thema
- Abstract der KEYNOTE-024-Studie
- Registrierung der Studie
- PDF der KEYNOTE-021-Studie
- Pressemitteilung des Herstellers
- Registrierung der KEYNOTE-021-Studie
- Registrierung der KEYNOTE-189-Studie
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aerzteblatt.de
Wie das Team um Corey Langer vom Abramson Cancer Center in Philadelphia berichtet, steigerte Pembrolizumab das progressionsfreie Überleben von 8,9 auf 13 Monate (Hazard Ratio 0,53; 0,31–0,91), das Gesamtüberleben wurde jedoch (noch?) nicht verbessert: Nach sechs Monaten lebten in beiden Gruppen noch 92 Prozent der Patienten, nach zwölf Monaten waren es unter der Kombination mit Pembrolizumab 75 Prozent und ohne Pembrolizumab 72 Prozent.
Pembrolizumab steigerte die Toxizität der Therapie: Der Anteil der Patienten mit Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher betrug 39 Prozent gegenüber 26 Prozent in der Gruppe ohne Pembrolizumab. Es kam jedoch nicht häufiger zu Therapieabbrüchen oder therapiebedingten Todesfällen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit (64 versus 40 Prozent), Übelkeit (58 versus 44 Prozent) und eine Anämie (32 versus 54 Prozent). Ob die Kombination tatsächlich sinnvoll ist, wird derzeit in einer Phase-3-Studie (KEYNOTE-189) geklärt. © rme/aerzteblatt.de

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