Politik
Zytostatika: Protest von Apothekern und Ärzten war erfolgreich
Dienstag, 11. Oktober 2016
Berlin – Der Einsatz von Apothekern sowie von verschiedenen ärztlichen Berufsverbänden und Fachgesellschaften war erfolgreich: Anfang September hatten sie öffentlich dagegen protestiert, dass mehrere Krankenkassen mit der Ausschreibung der Zytostatikaherstellung durch bestimmte Apotheken begonnen hatten. In der Folge konnten nur noch die Apotheken die Herstellung von Zytostatika gegenüber der betreffenden Kasse abrechnen, die den Zuschlag von ihr erhalten hatten. Nun will die Bundesregierung die entsprechende Regelung aus dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) streichen. So steht es im Kabinettsentwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes, der morgen vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Im ersten Entwurf der Reform war dieser Passus noch nicht enthalten.
Konkret heißt es derzeit im Paragraf 129, Absatz 5 SGB V: „Die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten kann von der Krankenkasse durch Verträge mit Apotheken sichergestellt werden; dabei können Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden.“ Diesen Satz will die Bundesregierung nun streichen.
„Die Versorgung von krebskranken Patientinnen und Patienten baut auf einem besonders engen Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem behandelnden Arzt auf“, heißt es dazu in der Gesetzesbegründung. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass die an ihrer Versorgung beteiligten Heilberufe gut zusammenwirken, damit die ihnen zu verabreichenden parenteralen Zubereitungen therapiegerecht in der Arztpraxis zur Verfügung stehen.“ Eine möglichst friktionsfreie Versorgung der Versicherten mit in einer Apotheke hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren Anwendung beim Patienten habe eine hohe Bedeutung.
Zytostatika: Kritik an Ausschreibung der AOK
Krankenkassen haben mit der Ausschreibung von Zytostatika begonnen. Apotheker und niedergelassene Onkologen befürchten längere Wartezeiten für die Patienten und einen erheblichen Mehraufwand im Praxisalltag. Die Rechtslage ist eindeutig. „Die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung [...]
Die Möglichkeit der Versicherten, die versorgende Apotheke frei zu wählen – gegebenenfalls in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin –, solle bei der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln nicht beschränkt werden. Dieselben Argumente hatten auch Apotheker und niedergelassene Onkologen bei ihrem Protest gegen die Regelung angeführt.
Um die „vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven“ in diesem Bereich „ohne Einschränkung der Qualität und Sicherheit der Versorgung“ dennoch erschließen zu können, will es der Gesetzgeber den Krankenkassen künftig erlauben, Rabattverträge mit den Herstellerfirmen über Zytostatika abzuschließen.
Industrie gegen Umsatzschwelle
Die Pharmaindustrie hat sich kurz bevor sich das Kabinett mit dem Gesetz befasst, noch einmal deutlich gegen Teile der Novelle positioniert. Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer, befürchtet, dass Patienten Medikamente, die oft die einzige Behandlungsalternative seien, von den Krankenkassen nach der Reform nicht mehr erhalten werden. „Dieses Gesetz ist ein reines Spargesetz, das reale Gefahren für Patienten verursacht“, warnte Fischer. Betroffen seien „beispielsweise Patienten, die an Brust- oder Hautkrebs, Diabetes, Epilepsie, Multiple Sklerose oder psychischen Störungen leiden“, so die vfa-Hauptgeschäftsführerin.
Ein Hauptkritikpunkt der Industrie sind die geplanten Regelungen zur frühen Nutzenbewertung: Im Augenblick kann der Hersteller im ersten Jahr der Markteinführung eines Präparates den Preis selbst festlegen. In diesem Zeitraum wird zwischen Industrie und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) ein Erstattungsbetrag ausgehandelt, der in der Regel deutlich unter dem Preis des Herstellers liegt. Gröhe will nun zur Kostendämpfung bei Arzneimitteln eine Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro für ein Präparat im ersten Jahr einführen. Sobald das Mittel diese Schwelle erreicht hat, gilt von diesem Zeitpunkt an rückwirkend der niedrigere Erstattungsbetrag.
Auch die Krankenkassen hatten den Entwurf kritisiert – allerdings aus einem genau entgegengesetzten Grund: Ihnen gehen die Sparbemühungen nicht weit genug. „Eine Schwelle bei 250 Millionen Euro würde bedeuten, dass von den 36 neuen Wirkstoffen, die im letzten Jahr zugelassen wurden, nur drei unter diese Regelung gefallen wären. Das ist ein bisschen wenig“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub. Manche Mittel erzielen im ersten Jahr enorme Bruttoumsätze. Dazu zählt etwa Harvoni gegen Hepatitis C mit 783 Millionen Euro, Sovaldi ebenfalls gegen Hepatitis C mit 495 Millionen und Tecfidera gegen Multiple Sklerose mit 326 Millionen Euro.
Mit dem Gesetz will Gröhe auch Apotheker besserstellen: So solle ihre Vergütung um 100 Millionen Euro steigen. © fos/hil/dpa/aerzteblatt.de

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