NewsMedizinSprunggelenkfraktur: Modifizierter Gipsverband kann Operation bei älteren Patienten vermeiden
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

Sprunggelenkfraktur: Modifizierter Gipsverband kann Operation bei älteren Patienten vermeiden

Mittwoch, 12. Oktober 2016

Oxford – Ein speziell modulierter, eng anliegender Gipsverband hat bei Senioren mit instabiler Sprunggelenkfraktur in einer Vergleichsstudie im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; doi: 10.1001/jama.2016.14719) gleich gute Ergebnisse erzielt wie eine operative Versorgung mit Osteosynthese.

Instabile Sprunggelenkfrakturen werden normalerweise operativ versorgt, um spätere Fehlstellungen des Gelenks zu vermeiden. Die Osteosynthese mit Schrauben, Drähten und/oder Platten ist jedoch vor allem bei älteren Menschen nicht ohne Risiken. Die osteoporotischen Knochen erschweren die genaue Positionierung der Metallimplantate, und es kommt häufiger zu postoperativen Infektionen.

Hinzu kommt, dass ein optimales orthopädisches Ergebnis bei Senioren mit eingeschränkter Mobilität und einer begrenzten Lebenserwartung oft nicht erforderlich ist, da sie die Gelenke nicht mehr durch körperliche Arbeit oder Sport belasten und eine Arthrose als Spätfolge einer leichten Fehlstellung nicht mehr erleben werden.

Orthopäden der Universität Oxford schlagen als Alternative zur Operation einen engen Gipsverband (close contact casting, CCC) vor, der unter Anästhesie angelegt wird und das Gelenk nach eventueller Repositionierung stabilisiert. Die CCC-Technik beschränkt die Polsterung unter dem Gipsverband auf wenige Stellen, an denen es erfahrungs­gemäß zu Druckstellen kommt, und erlaubt deshalb eine enge Modellierung von Fuß und Unterschenkel.

Ob die CCC-Technik zu gleich guten Ergebnissen führt, haben Keith Willett vom Kadoorie Centre for Critical Care Research and Education in Oxford und Mitarbeiter in einer (der in der orthopädischen Chirurgie seltenen) randomisierten Studie untersucht. Am der AIM-Studie (Ankle Injury Management) beteiligten sich 24 britische Unfallkliniken, die insgesamt 620 Patienten (Durchschnittsalter 71 Jahre, 74 Prozent Frauen) mit instabiler Sprunggelenkfraktur per Los einer konservativen Behandlung mit CCC oder einer sofortigen Operation zuteilen ließen. Primärer Endpunkt waren die Ergebnisse im Score nach Olerud und Molander (OMAS). Der OMAS bewertet Schmerzen und Gelenkfunktion mit 0 bis maximal 100 Punkten, wobei eine höhere Punktzahl ein besseres Ergebnis anzeigt.

Fast alle Teilnehmer (93 Prozent) erhielten die ihnen per Los zugewiesene Behandlung. Allerdings wurde bei 52 von 275 (19 Prozent) Patienten im CCC-Arm im Verlauf der ersten sechs Monate wegen eines ungünstigen Heilungsverlaufs doch eine Operation durchgeführt, was laut Willett jedoch erwartet worden war. Bei weiteren zehn Patienten (4 Prozent) wurde der Gipsverband erneuert.

Dennoch waren die funktionellen Ergebnisse gleich gut. Sechs Monate nach der Operation erreichten die Patienten in der Osteosynthese-Gruppe einen OMAS von 66,0 Punkten gegenüber 64,5 Punkten in der konservativ behandelten Gruppe (mit eventuell späterer chirurgischer Anschlussbehandlung). Ein OMAS von 61 bis 90 Punkten gilt als gutes Ergebnis.

In den sekundären Endpunkten gab es erwartungsgemäß große Unterschiede. Nach der Operation kam es bei 10 Prozent der Patienten zu Infektionen oder zu Nahtdehiszenzen. Nach dem primär konservativen Ansatz war dies nur bei 1 Prozent der Patienten der Fall. Willett errechnet eine Odds Ratio von 7,3 mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 2,6 bis 20,2. Auch Nachoperationen waren mit 6 Prozent gegenüber 1 Prozent häufiger (Odds Ratio 5,8; 1,8-18,7). Andererseits kam es nach der primär konservativen Behandlung häufiger zu radiologischen Fehlstellungen der Frakturen: 15 versus 3 Prozent ergibt eine Odds Ratio von 6,0 (2,8-12,9).

Ein Vorteil der konservativen Behandlung war die im Durchschnitt um 54 Minuten kürzere Belegzeit im Operationsraum. Sie dürfte auch aufgrund der geringer Materialkosten für die Klinik kostengünstiger sein. Andererseits dürfte es, wie David Sanders vom London Health Sciences Centre in Ontario/Kanada im Editorial schreibt, vielen Orthopäden schwer fallen, auf eine Operation zu verzichten, wenn sich die Patienten erst einmal im Operationssaal unter Narkose befinden, zumal sie das Anlegen des modifizierten Gipsverbands erst erlernen müssten. Die Technik ist laut Willett jedoch nicht schwierig und die an der Studie beteiligten Ärzte hätten keine Lernkurve benötigt, um sie zu erlernen. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
LNS
VG Wort

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER