Politik
Prognose: Durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz steigt nicht
Donnerstag, 13. Oktober 2016
Berlin – Die gesetzlich Krankenversicherten könnten im kommenden Jahr von steigenden Beiträgen verschont bleiben. Das geht aus der Prognose des Schätzerkreises beim Bundesversicherungsamt (BVA) hervor, die die Behörde heute in Bonn veröffentlichte. Denn der Zusatzbeitrag, den die Arbeitnehmer allein zahlen müssen, kann laut Schätzung bei 1,1 Prozent bleiben. Er kommt zum allgemeinen Beitrag dazu. Dieser ist auf 14,6 Prozent fixiert. Der durchschnittliche Beitrag bleibt folglich bei 15,7 Prozent vom Einkommen.
Zwar können die 118 einzelnen Krankenkassen auch niedrigere oder höhere Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern verlangen. Nimmt eine Kasse aber mehr Geld, drohen ihr Mitgliederverluste und eine schlechtere Position im Wettbewerb. Den allgemeinen Beitrag teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte. Er bleibt laut Gesetzeslage unverändert. Kostensteigerungen im Gesundheitswesen müssen die Kassenmitglieder allein über die Zusatzbeiträge schultern.
Laut der vorliegenden, offiziellen Schätzung werden für das Jahr 2017 Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 214,8 Milliarden Euro erwartet. Darin ist der Zuschuss des Bundes von 14,5 Milliarden Euro enthalten. Dem stehen voraussichtliche Ausgaben von 229,1 Milliarden Euro gegenüber. Rechnerisch ergebe sich aus den Schätzergebnissen keine Veränderung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) legt den Zusatzbeitragssatz zwar erst noch fest. Erwartet wird, dass es sich strikt an der Prognose orientiert.
„Die Ergebnisse des Schätzerkreises machen deutlich, dass die gesetzliche Krankenversicherung finanziell auf einem sicheren Fundament steht“, erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Notwendige Leistungs- und Qualitätsverbesserungen seien mit Augenmaß eingeführt worden. Zudem würden Strukturverbesserungen, wie etwa bei den Krankenhäusern und durch das Präventionsgesetz, zur nachhaltigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens beitragen.
„Die heutige Einschätzung der Experten zeigt, dass der Alarmismus, mit dem noch vor Kurzem deutliche Anstiege des Zusatzbeitrages im Jahr 2017 an die Wand gemalt wurden, völlig unangemessen war“, so Gröhe. Er mahnte, dass eine solche Panikmache „künftig unterbleiben“ sollte.
Die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sprach von einem Signal der finanziellen Stabilität. „Ich freue mich, dass die gesetzliche Krankenversicherung derzeit finanziell besser dasteht, als dies noch vor wenigen Monaten zu erwarten war.“ Den entscheidenden Stabilitätsbeitrag leisteten die Beitragszahler mit dem Zusatzgeld aus dem Gesundheitsfonds.
Informationen zum GKV-Schätzerkreis
Der Schätzerkreis nach § 220 SGB V hat die Aufgabe, auf der Basis der amtlichen Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherung die Entwicklung der Einnahmen, Ausgaben sowie der Zahl der Versicherten und Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung des laufenden Jahres zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Prognose über die weitere Entwicklung im jeweiligen Folgejahr zu treffen. Nach Auswertung der Ergebnisse dieser Schätzung wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a SGB V für das Folgejahr vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen festgelegt und jeweils bis zum 1. November eines Kalenderjahres bekannt gemacht. Dem Schätzerkreis gehören Fachleute des BMG, des Bundesversicherungsamtes sowie des GKV-Spitzenverbandes an. Die Sitzungen des Schätzerkreises finden mindestens zweimal jährlich, jeweils bis zum 15. Oktober und bis zum 30. März eines Jahres, statt.
Deutlicher formuliert es Maria Klein-Schmeink, Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Gröhe habe mit den 1,5 Milliarden aus den Rücklagen des Gesundheitsfonds eine äußerst teure und wackelige Fassade errichtet, sagte sie. Zwar bleibe der durchschnittliche Zusatzbeitrag im Wahljahr durch den Griff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds stabil. Mit dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag lade die Koalition aber weiterhin den gesamten Kostenanstieg im Gesundheitswesen ausschließlich bei den Versicherten ab.
Aus ihrer Sicht ist es absehbar, dass etliche Kassen – spätestens im Jahr nach der Wahl – trotzdem ihren Zusatzbeitrag würden erhöhen müssen. Schuld seien die „vielen teuren Gesetze der Koalition“. Auch die IG Metall warnte vor steigenden Krankenkassenbeiträgen nach einer Pause im Jahr der Bundestagswahl. Der weitere Anstieg sei nur aufgeschoben, sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban in Berlin. Von Entwarnung für die Versicherten könne keine Rede sein. Die Bundesregierung greife zu fragwürdigen Mitteln, um einen Anstieg vor der Bundestagswahl zu vermeiden, sagte er. „Das Kalkül ist offenbar, sich eine weitere Debatte über den Zusatzbeitrag im Wahljahr vom Halse zu halten“, so Urban.
Der Sozialverband VdK Deutschland forderte ein Ende des jetzigen Finanzierungssystems. Die Arbeitgeber müssten wieder die Hälfte der Kosten tragen, forderte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. „Wir müssen zurück zu einer paritätischen Finanzierung.“ Die Gesundheitsversorgung von älteren, chronisch kranken und armen Menschen sei eine solidarische Aufgabe. © dpa/may/aerzteblatt.de

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