Ärzteschaft
Nachbesetzung von Sitzen: Chirurgen kritisieren Urteil des Bundessozialgerichtes
Freitag, 14. Oktober 2016
Berlin – Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) hat das Ende September vom Bundessozialgericht (BSG) gefällte Urteil zur Nachbesetzung von chirurgischen Vertragsarztsitzen (B 6 KA 40 / 15 R) kritisiert. Der Rechtsspruch gefährde die zukünftige Patientenversorgung in chirurgischen Arztpraxen, da er die Übernahme einer bestehenden chirurgischen Facharztpraxis durch den größten Teil der niederlassungswilligen Fachärzte aus dem Gesamtgebiet der Chirurgie verbiete, so der Verband.
Das BSG hatte geurteilt, das Fachärzte für Orthopäden und Unfallchirurgie Vertragsarztsitze nur dann übernehmen dürfen, wenn der abgebende Inhaber neben dem Facharzt für Chirurgie auch die Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie führt. Damit wird laut BDC die Weitergabe eines Großteils der chirurgischen Praxen nicht mehr möglich sein.
„Die Kollegen werden keine Nachfolger mehr finden, da abgesehen von wenigen Spezialisten die Kernarbeit in der Betreuung von Patienten mit Erkrankungen oder Verletzungen des Bewegungsapparates liegt“, sagte Jörg-Andreas Rüggeberg, BDC-Vizepräsident. Das bedeute einen flächendeckenden Verlust einer wichtigen Behandlungsebene für die Bevölkerung in Form der ambulanten Basischirurgie. „Ein kompletter Versorgungsbereich wird durch Richterspruch abgeschafft werden, und die Patienten werden stattdessen die Krankenhausambulanzen aufsuchen müssen, die für diese Aufgabe keine ausreichenden Kapazitäten besitzen", warnte Rüggeberg.
Dringend geboten ist aus seiner Sicht eine umgehende Änderung der Bedarfsplanung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, um die geänderte Weiterbildung von Chirurgen und Orthopäden so zu berücksichtigen, dass auch weiterhin eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit basischirurgischen und daneben auch hochspezialisierten chirurgischen Behandlungsformen garantiert wird.
Denn dem Verband zufolge gibt es den Facharzt für Chirurgie heute nicht mehr. Stattdessen sei das Gesamtgebiet aufgeteilt in acht verschiedene Fachsäulen wie etwa Gefäßchirurgie oder Kinderchirurgie. Auch der bisherige Facharzt für Orthopädie sei abgeschafft worden und mit der Unfallchirurgie zu einem gemeinsamen Facharzt verschmolzen.
Der Berufsverband kritisierte, dass trotz dieser Änderung der Facharztweiterbildung die Bedarfsplanung nicht geändert worden ist. Hier gebe es unverändert zwei getrennte Planungsbereiche Orthopädie und Chirurgie, obwohl die zugehörigen Fachärzte in dieser Form nicht mehr nachgebildet werden. „Es darf nicht passieren, dass Gerichte in die chirurgische Versorgungslandschaft eingreifen, nur weil notwendige Entscheidungen nicht rechtzeitig getroffen werden", sagte BDC-Präsident Hans-Joachim Meyer.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hat die Entscheidung des BSG dagegen ausdrücklich begrüßt. Ihrer Meinung nach führt die Möglichkeit der Nachbesetzung von Chirurgen durch Orthopäden und Unfallchirurgen langfristig dazu, dass in Berlin Probleme in der Sicherstellung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung entstünden. Denn damit würde die Zahl der Chirurgen stetig sinken, während die Zahl der Orthopäden und damit auch das Risiko zum Praxisaufkauf in freiberuflichen Nachbesetzungsverfahren stiegen.
Auch wenn es gerade unter Berücksichtigung des aktuellen ärztlichen Weiterbildungsrechtes eine weite Überschneidung zwischen beiden Fachgebieten gebe, seien dennoch enorme Unterschiede gegeben, hieß es dazu von der KV. Langfristig bestünde die Gefahr, dass bestimmte Leistungen im ambulanten Bereich nicht mehr angeboten werden könnten. © hil/sb/aerzteblatt.de

@Practicus die "Anglikanisierung"
Der Orthopäde früher dachte gar nicht daran, wegen einer Radiusfraktur nachts oder am Wochenende zu erscheinen. Für den Facharzt für Chirurgie mussten daher auch eine Mindestzahl an "Osteosynthesen" nachgewiesen werden. Die sehr breite Grundausbildung, angefangen mit "Allgemeinchirurgischer" Ausbildung, wie Wundheilung etc. ermöglichte es auch früher dem Chirurgen, wie heute noch dem Internisten, sich als "Praktiker" niederzulassen.
Die seither stattgefundene zunehmende Einschränkung "chirurgischer" Niederlassung ist weder medizinisch noch ökonomisch vernünftig.
Die Folge ist ein gewisser (ökonomisch unsinniger) Verfall der Chirurgie, die ich immer mit einem Walfisch vergleiche, der von Haifischen angegriffen wird,
jeder beliebige (Nichtchirurg) beißt sich ein Stück davon ab, bis der Walfisch tot ist, keineswegs zum Vorteil der Qualität.
Denn die Chirurgie hat den grundsätzlichen Vorteil ganz überwiegend zu heilen, statt der heute gepredigten "Dauertherapie" vieler Erkrankungen.

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