Vermischtes
Missbrauch im Krankenhaus: Hohe Haftstrafe für Chefarzt
Montag, 17. Oktober 2016
Bamberg – Ein ehemaliger Chefarzt des Klinikum Bamberg muss für sieben Jahren und neun Monate ins Gefängnis. Das Landgericht Bamberg verurteilte den 51-Jährigen heute wegen schwerer Vergewaltigung, schwerer sexueller Nötigung, schweren sexuellen Missbrauchs, gefährlicher Körperverletzung und Verletzung der Intimsphäre in mehreren Fällen. Fünf Jahre Berufsverbot als Mediziner kommen dazu.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt mehreren Frauen Gegenstände oder einen Finger eingeführt hatte und dann ihren Intimbereich fotografierte. Zuvor habe er die jungen Frauen betäubt, sagte das Gericht.
Der frühere Chefarzt hatte beteuert, alles sei fachlich gerechtfertigt, es habe rein medizinische Motive gegeben. Er habe kein sexuelles Motiv gehabt, sondern neue Behandlungsmethoden erproben wollen, so der ehemalige Chefarzt für Gefäßmedizin. Kurz vor dem heutigen Urteil las er eine Erklärung vor, in der er wiederholte, er habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ als Mediziner gehandelt, immer leitliniengetreu.
Das sah der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt anders: Das sexuelle Motiv liege auf der Hand. Es gebe keinen Grund, die Frauen zu betäuben – auch keinen innovativen. Und: „Er hat das Vertrauensverhältnis verletzt.“
Die Anwälte des Mannes kündigen Revision an, sie haben teils eine Bewährungsstrafe, teils Freispruch gefordert. Eine Geldstrafe, so einer von ihnen in seinem Plädoyer, sei angemessen – in einem Fall. Dieser Fall ist Nummer 13 auf der Liste der Staatsanwaltschaft. Es ist der einzige ohne medizinischen Kontext und der einzige, zu dem der Spezialist für Thrombosen keine fachliche Erklärung zu liefern versucht.
Es geht um eine Nacht in einem Hotel, mit der Patentochter seiner Frau. Er lädt die 18-Jährige zu einem Musical ein, trinkt mit ihr Schnaps. Später, im Zimmer, liegt sie auf dem Bett. Sie habe mit einem Einzelzimmer für sich gerechnet, so die Anklage, aber es ist ein Doppelzimmer. Er versteckt eine Kamera und filmt die Frau, teilweise nur in BH und Slip. Und er filmt sich, wie er mit einem „stabförmigen Gegenstand“ über ihren Körper streicht.
Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb warf dem Arzt vor, die Intimsphäre der Frau verletzt zu haben. Er schließe von diesen Videos auf die anderen Fälle. Lieb sieht darin sexuelle Handlungen – und sieht sie deshalb auch in den Bildern und Videos von den zwölf jungen Frauen aus der Klinik. Keiner soll der damalige Chefarzt gesagt haben, dass er sie fotografieren oder filmen würde. Die Dateien aber hat er gespeichert. Darauf ist zu sehen, dass er manchen der Frauen, die ansprechbar, aber willenlos gewesen sein sollen, eine Ultraschallsonde einführt. Oder Sexspielzeug, sogenannte Butt-Plugs, vaginal und anal. Oder seinen Finger. Den Frauen sagt er, die Butt-Plugs seien eine „Bluetooth-Gegensonde“.
Die letzte von diesen Frauen hat den Prozess angestoßen, vor mehr als zwei Jahren. Da arbeitet sie als Medizinstudentin in der Klinik, und der angesehene Arzt soll ihr erzählt haben, er nehme an einer Studie zu Beckenvenen teil. Sie erklärt sich zu einer Untersuchung bereit. Er kündigt an, ihr ein Kontrastmittel zu geben. Doch danach kommt es der damals 26-Jährigen seltsam vor, dass sie sich an die Untersuchung nicht erinnert. Ihr Vater, der auch Arzt ist, nimmt ihr Blut ab. Ein Labor findet darin Midazolam – ein Betäubungsmittel.
Auch den elf Frauen vor ihr soll er zwischen 2008 und 2014 ein Kontrastmittel angekündigt und stattdessen Midazolam gegeben haben – das Gericht hält das für erwiesen. Bis zuletzt sagt der Ex-Chefarzt nicht, welches Mittel das gewesen sein soll, er hat es in keinem Befund vermerkt. Alle Frauen berichten, sie könnten sich gar nicht oder nur sehr vage an die Termine erinnern.
Der Ex-Chefarzt aber bleibt bei seiner Version. Vor Gericht sagt er: Es tue ihm leid, was die Frauen beim Betrachten der Bilder empfunden hätten. Vielleicht, sagt er, hätte er ihnen deutlicher erklären sollen, was er mache – aber das mache ihn nicht zum Sexualstraftäter. Ein Gutachter attestierte dem Mann, er neige zur Selbstüberschätzung, zur Grenzüberschreitung. Im Gerichtssaal ergreift er als Angeklagter oft selbst das Wort, listet seine Erfolge auf, erklärt alle Sachverständigen für ungeeignet.
Seit August 2014 sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft. „Er ist aus einer Chefarzt-Stellung so tief gefallen, wie es fast tiefer nicht geht“, sagte Richter Schmidt. Ein juristisches Urteil gibt es erst jetzt, das gesellschaftliche ist schon vor zwei Jahren gefallen. Das machen die Verteidiger des Mannes den Behörden und den Medien zum Vorwurf: Sie hätten „Vorurteilsproduktion“ betrieben. Als die Vorwürfe im August 2014 bekannt wurden, zogen die Klinik Bamberg und die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie Konsequenzen. © dpa/aerzteblatt.de

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