Medizin
Essenzieller Tremor: Zittern liegt (teilweise) in den Genen
Montag, 24. Oktober 2016
Montreal – Eine genomweite Assoziationsstudie hat Varianten auf drei Genen identifiziert, die die Häufigkeit des essenziellen Tremors beeinflussen, unter dem etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet. Die Studie in Brain (2016; doi: 10.1093/brain/aww242) liefert Ansatzpunkte, um Ursache und Pathogenese der Erkrankung zu erforschen.
Zu viel Kaffee oder eine aufregende Situation können auch bei gesunden Menschen ein fühlbares und sichtbares Zittern der Hände auslösen. Bei Menschen mit essenziellem Tremor tritt das Zittern ohne Grund auf und neben den Händen können auch andere Körperteile wie Kopf, Beine und sogar die Stimme betroffen sein. Die Ursache der häufigen Störung ist unklar, es gibt jedoch eine klare familiäre Häufung. Zwillingsstudien schätzen die erbliche Komponente auf 45 bis 90 Prozent. Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) sind ein Mittel, die zugrundeliegenden Gene zu entdecken.
Zwei kleinere GWAS haben bereits Varianten in zwei Genen mit der Erkrankung in Verbindung gebracht: SLC1A2 enthält die Information für einen Transporter des Neurotransmitters Glutamat, LINGO1 ist an der Differenzierung von Oligodendrozyten und der axonalen Regeneration beteiligt. Von einer neuen, diesmal größeren GWAS wurden weitere Erkenntnisse erwartet.
Ein internationales Team um Guy Rouleau vom Montreal Neurological Institute (mit starker deutscher Beteiligung) verglich dazu die Gene von 2.807 Patienten und 6.441 Kontrollen. Sie identifizierten mehrere Genvarianten (SNP) auf den Genen STK32B, PPARGC1A und CTNNA3.
STK32B kodiert eine Serin/Threonin-Kinase. Seine genaue Funktion im Gehirn ist nicht bekannt. Das Gen wird jedoch bei Menschen mit essenziellem Tremor vermehrt in der Kleinhirnrinde abgerufen, die für die Steuerung motorischer Bewegungen zuständig ist. Dies könnte die Assoziation biologisch plausibel erklären.
PPARGC1A enthält die genetische Information für den Transkriptionsfaktor PGC-1a, der den Energiestoffwechsel und die Mitochondrien-Funktion beeinflusst. Dies könnte einen Einfluss auf die Funktion von Hirnzellen haben, die besonders viel Energie verbrauchen. CTNNA3 kodiert das Adhäsionsprotein Catenin alpha 3, das in einer früheren Studie mit dem Morbus Alzheimer in Verbindung gebracht wurde.
Ob diese drei Gene tatsächlich die Pathogenese des essenziellen Tremors beeinflussen, muss jetzt in weiteren Studien untersucht werden. So könnten die Gene gezielt bei Mäusen ausgeschaltet werden, um zu sehen, ob dies einen Tremor auslöst. Eine GWAS liefert immer nur einen Hinweis, aber keinen Beweis für eine genetische Beteiligung. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass die aktuelle Studie die Assoziationen mit SLC1A2 und LINGO1 aus den beiden früheren GWAS nicht bestätigen konnte. © rme/aerzteblatt.de

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