Medizin
Toxoplasmose: Parasit beeinflusst Gedächtnisleistung
Dienstag, 25. Oktober 2016
Dortmund – Toxoplasmose birgt nicht nur für Schwangere und immunschwache Menschen ein Gesundheitsrisiko. Eine Infektion kann auch das Arbeitsgedächtnis im Alter beeinträchtigen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo). Ein möglicher Zusammenhang von Toxoplasmose und Demenz sollte daher untersucht werden, empfehlen die Autoren der Studie, die sie in Biological Psychology publiziert haben (doi.org/10.1016/j.biopsycho.2016.08.002).
Der Parasit Toxoplasma gondii vermehrt sich nur im Darm von Katzen. Über den Katzenkot finden die robusten Parasiteneier ihren Weg in fremde Organismen, beispielsweise von Mäusen oder Vögeln. Um wieder zurück zum Stammwirt zu
gelangen, reduziert der Erreger das Vermeidungsverhalten des Zwischenwirts, wie
frühere US-Studien zeigten. Infizierte Mäuse schätzen Katzen nicht als harmlos ein.
Gefährlich kann Toxoplasmose für Schwangere und den Fötus sowie für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem werden. Im Großteil der Fälle bleibt die Infektion aber
unbemerkt. Die magensäureresistenten Erreger können jedoch die Blut-Hirnschranke passieren und sich lebenslang in Nervenzellen einnisten. Ob dies kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt, erforschten erstmals Wissenschaftler am IfADo. Sie konnten in einer Doppelblindstudie mit Senioren zeigen, dass eine latente Infektion Gedächtnisleistungen und die subjektive Lebensqualität verschlechtern kann.
Die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses waren bei den Toxoplasmose-positiven Probanden um 35 % geringer als bei den Nicht-Infizierten. Zudem schätzen die betroffenen Personen ihre körperliche, psychische und soziale Lebensqualität signifikant
schlechter ein. Im EEG zeigte sich ein deutlich geringerer Ausschlag der Hirnpotenziale, die mit Arbeitsgedächtnisfunktionen wie Aktualisierung von Gedächtnisinhalten assoziiert werden.
Die Studienkohorte aus gesunden Probanden ab 65 Jahren wurden in zwei Gruppen mit je 42 Personen unterteilt: 1) Senioren, bei denen im Blut entsprechende T. gondii-Antikörper gefunden wurden. 2) Senioren mit negativem Nachweis bildeten die Kontrollgruppe. Alle Probanden beantworteten Fragen zu Lebenssituation und Lebensqualität. Danach folgten verschiedene PC-Tests zu Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung. Parrallel wurde die Gedächtnisleistung mit EEG-gestützten Untersuchungen gemessen.
Die Probanden sollten beispielsweise in einer schnellen Abfolge von einzelnen Buchstaben immer dann eine Taste drücken, wenn der vorletzte Buchstabe mit dem aktuell gezeigten übereinstimmte. Auf diese Art müssen Buchstaben im Kurzzeitgedächtnis gespeichert und kontinuierlich mit den neuankommenden Buchstaben verglichen werden. Dazu ist ein intaktes Arbeitsgedächtnis notwendig, das für die vorübergehende Informationsspeicherung und gleichzeitige Verarbeitung zuständig ist.
„Der Unterschied in der Arbeitsgedächtnisleistung zwischen Infizierten und Nicht-Infizierten entspricht in etwa der Differenz zwischen gesunden jungen Erwachsenen und Senioren“, sagt IfADo-Studienautor Patrick Gajewski. Die Toxoplasmose-Infektion verursacht ein Ungleichgewicht von Dopamin und Norepinephrin. In Folgestudien sollte daher ein Zusammenhang von Toxoplasmose und Demenz untersucht werden, da in beiden Fällen die Gedächtnisfunktion als erstes in Mitleidenschaft gezogen wird. „Die hohe Prävalenz der Toxoplasmose-Infektion und eine wachsende Anzahl von älteren Menschen verdeutlicht die sozioökonomische Bedeutung der Befunde“, so Gajewski.
Jeder zweite Deutsche trägt den Erreger Toxoplasma gondii in seinem Körper. Der weltweit vorkommende Einzeller verursacht eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Menschen infizieren sich häufig durch Kontakt mit kontaminiertem Wasser, Gemüse oder nicht durchgegartem Fleisch von infizierten Nutztieren. © gie/idw/aerzteblatt.de

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